Die Bremer Stadtmusikanten

Brüder Grimm, mit Bildern von Gabriel Pacheco

Das Märchen von den vier mutigen Musikanten ist wohlbekannt.

Nun wurde es von Gabriel Pacheco neu illustriert und in einer schönen leinengebundenen Ausgabe herausgegeben. Pachego ist international bekannt für seine surreal anmutenden Illustrationen, im vorliegenden Buch erzeugt er eine starke Atmosphäre durch viele Abstufungen von Grau, in die leuchtend die Grundfarben hineinragen. Er gestaltet die Figuren flächig, Tiefe erhalten die Bilder durch Gegenstände, die wie Requisiten auf der Bühne des Lebens wirken.

 

Zuerst fällt der in einen gelben Mantel gekleidete Esel ins Auge: er flieht aus der Mühle, bevor sein Herr ihn "fortschaffen" kann - alt ist er geworden, die Arbeit fällt ihm zunehmend schwer. 

 

Er ist noch nicht weit gegangen, da trifft er auf den Jagdhund, den er mit "Packan" begrüßt. Dieser hat Reißaus genommen, sein Herr wollte ihn "totschlagen" - doch wie soll er nun sein Brot verdienen?

Im roten Umhang, mit einer Kopfbedeckung, die wie eine Bandage aussieht, mit einer Holzkrücke und in der gebeugten Haltung eines Bettlers die Hand nach vorne streckend, steht er da und ist schnell davon überzeugt, mitzukommen nach Bremen.

 

Nebenbei: Bremen besaß als Hansestadt besondere Freiheits-rechte und war über die Weser und Bremerhaven ein Tor zur Welt - dorthin also wollen die beiden ausgemusterten Tiere.

 

Schon bald begegnet ihnen ein alter Kater. Mit geflickter blauer Jacke sitzt er unter einem leuchtend roten Regen-schirm, auf dem schon die Mäuse tanzen. Eine sitzt direkt neben ihm, der müsste nur die Pfote ausstrecken, aber selbst das scheint zu viel für ihn zu sein. 

Er ist vor dem Tod durch "ersäufen" geflohen und, weil er sich ja auf "Nachtmusik" versteht, ist er ebenfalls geeignet als Stadtmusikant. 

 

Es schließt sich noch an der Hahn, der morgen in die Suppe soll - symbolisch trägt er eine Art Serviette um den Hals, dank seiner guten Stimme passt er perfekt zu dem Trio.

 

Nun wird es dunkel, die Vier ziehen durch den Wald, der Hunger plagt sie ordentlich. Überraschend kommen sie an ein Holzhaus, rot leuchtet es sogar in der Nacht.

Sie bilden die berühmte Pyramide und veranstalten ihr Höllengeschrei, das die wackeren Räuber in den Wald jagt.

 

Warm ist die Stube, sie umfängt die Schmausenden mit einladendem Rot, so üppig ist das Angebot, dass restliche Speisen auf dem Tisch liegen bleiben, schön arrangiert nach Art eines Stilllebens.

 

Die Räuber, die Angst hatten, von einem Gespenst heim-gesucht worden zu sein, sehen selbst aus wie Gespenster, wie sie sich hinter einem Baum verstecken und der schwächste der Gruppe zurückgeschickt wird, "das Haus zu untersuchen."

 

Für diesen bricht nun die Hölle los, es fliegen Gegenstände und Körper durch die Luft, weiß und grau auf schwarz - das ist sehr bedrohlich.

Gemeinsam vertreiben die Tiere den Räuber - auf dem Bild ist allerlei Fliegendes zu sehen. Das Hufeisen, das der Räuber am Gürtel trägt, bringt ihm nur insofern Glück, als er den Angriff überlebt.

 

Geschlagen kehrt er in den Wald zurück, seine Spießgesellen kauern auf und hinter Bäumen, sie haben maskenhafte Gesichter mit sehr roten Mündern, man meint, Clowns vor sich zu haben.

 

"Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus. Den vier Bremer Stadtmusikanten gefiel´s aber so wohl darin, dass sie nicht wieder heraus wollten."

 

Eine bunte Gruppe steht mit ihren Instrumenten neben dem Haus, das nun, bei Licht besehen, eher eine Hütte ist, sie machen Musik, die durch die Luft fliegt, um den Baum, der noch die weggeworfenen Dinge in sich aufnimmt, die Symbole des abgelegten Lebens.

 

Gabriel Pacheco, geboren 1973 in Mexiko-Stadt, beschränkt sich in seinen Illustrationen auf das Wesentliche.

Die Farbgebung ist harmonisch, zwar leuchtend aber keineswegs grell, die Formen sind reduziert, die Gesichter der Tiere jedoch sehr fein gezeichnet.

 

Das Märchen kann als eine Parabel auf die unterdrückten Dienstboten, Knechte und Mägde gelesen werden, die ein Leben lang arbeiten. Wenn sie alt sind und unversorgt sich selbst überlassen bleiben, ja, was dann?

Auf der Ebene der Tiere wird vorgeführt wie die Armen und Ausgemusterten sich wehren können.

Mit List und Mut, mit Kampfgeist und Zusammenhalt haben sie eine Chance!

 

Diese `menschliche´  Ebene betont Gabriel Pacheco mit den ausdrucksstarken Gesichtern der Tiere und mit ihrer Freundlichkeit. Hund und Katze schauen sich am Ende mit einem verschwörerisch-zufriedenen Lachen an, während Esel und Hahn lauthals singen, kreischen, zeigen, dass sie da sind und nicht weichen werden.

 

Das schöne Buch für alle Menschen ab vier Jahren ist ein trefflicher Augenschmaus, eine Wohltat, ein Vergnügen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Bremer Stadtmusikanten

Brüder Grimm, Illustriert von Gabriel Pacheco

Bohem Press, 2020, 36 Seiten, Hardcover mit Leinen und Prägung