Klaas Verplancke - Magritte und sein Apfel

Der Surrealismus in Literatur und Kunst war eine Antwort auf den grauenhaften Ersten Weltkrieg.

Die Künstler trauten der Vernunft nicht mehr, die Werte der Bourgeoisie schienen über-kommen, die Heldenverehrung deplatziert. Die Welt war unlogisch geworden. Und so begannen die Kunstschaffenden aus Träumen, aus ihrer Phantasie, aus dem Unterbewusstsein zu schöpfen.

 

Der 1898 geborene Magritte beginnt als Zwölfjähriger zu malen. In den 1920er Jahren kommt er in Kontakt mit Künstlern, die sich der neuen Richtung des Surrealismus verschrieben hatten. Dieser möchte gewohnte Seh- und Denkstrukturen aufbrechen. Er möchte eine neue Sichtweise der Welt ermöglichen und sie so hinterfragen. 

Magritte weist immer wieder darauf hin, dass ein Bild ein Abbild der Wirklichkeit und nicht die Wirklichkeit selbst. Den gemalten Apfel kann man nicht essen, egal, wie gut er gemalt ist. Diese schlichte Aussage klingt fast banal, doch schaut man sich die Bilder Magrittes an, wird deutlich, dass hier ein Maler am Werk ist, der der Erneuerung verpflichtet ist, der aufwecken will. 

 

Klaas Verplancke hat dieses Buch über den Maler und sein Werk gestaltet. Er führt den Betrachter durch die Welt Magrittes, d.h. durch eine Traumwelt, in der das Unmögliche möglich wird und die erstaunlichsten Dinge passieren.

 

Ganz am Anfang führt er den Maler René ein, der nicht schlafen kann, weil er nicht malen kann. 

"Er wusste zwar wie, aber er wusste nicht was."

Am Morgen öffnet er die Vorhänge seines Fensters und schaut hinaus, auf der nächsten Seite ist dieses Fenster zu einer leeren Leinwand geworden, die René mit genau der gleichen Geste in den Händen hält.

Diese Leinwand ist das Fenster zur Welt.

 

Immer gebeugter und fast schon verzweifelt steht René vor der weißen Fläche und weiß nicht, was malen.

Dabei liegt das Offensichtliche doch so nah vor ihm:

ein Apfel.

Bevor er diesen wirklich wahrnimmt, verdichten sich schwarze Kohlestückwolken am blauen Himmel, René fängt an zu träumen. Von Äpfeln, Hüten, Apfelhüten...

 

Und so beginnt er, die "Wirklichkeit" zu malen.

Die er nicht neu erfindet, aber neu zusammensetzt.

Es entstehen die berühmten Schmetterblätter, Pfeifzweige und Eierbrillen, der Spiegelvogel, die Fußschuhe und all die anderen bekannten Dinge mit neuen Namen - die Worte beginnen um die Gegenstände herum zu tanzen, der Wind pustet sanft, aber bestimmt durch den Kopf des Betrachters.

 

So, wie Magritte selbst gerne in Bilder hinein- und wieder herausging, nimmt Verplancke den Leser mit in die Bilderwelt Magrittes. Er begleitet den Maler von seinen Anfängen an, zeigt, wie naturalistisch die einzelnen Gegenstände gemalt sind, wie sie in ungewöhnlichen Zusammenhängen verfremdet werden, so dass am Ende selbst ein zugemauertes Fenster am Himmel schwebt.

So zeigt er neben der Vorgehensweise Magrittes die Art der Surrealisten zu arbeiten und auf die Welt zu blicken.

 

Das Buch, das in Zusammenarbeit mit dem New Yorker MoMA entstand, ist eine wundervolle Einführung in das Werk des großen Künstlers. 

Mit Sachverstand und Phantasie, zart und ausdrucksvoll,

in und hinter die Dinge blickend und ganz konkret herausarbeitend, was die Meisterschaft Magrittes ausmacht, gelingt Verplancken eine Darstellung des Künstlers,

die "Anfänger" und "Kenner" gleichermaßen anspricht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Klaas Verplancke: Magritte und sein Apfel

Diogenes Verlag, 2017, 32 großformatige Seiten

(Original erschienen 2016 bei The Museum of Modern Art)