Bastian Asdonk - Mitten im Land

Ein Ich-Erzähler, dessen Alter nicht genannt wird, hat genug vom Leben in der Stadt. Er will sich nicht "abfinden mit all dem Dreck und dem Irrsinn, dem Lärm und der Gewalt und all den Menschen, die nur an ihren Vorteil denken." Die Stadt steht als Synonym für eine Lebensform der entfremdeten Arbeit. "Man kann in diesem System gar nicht glücklich werden, denn es basiert auf Unzufriedenheit. Um gut zu funktionieren, muss man immer einen Mangel spüren, eine Leere, die man kaum ertragen kann. Man will diese Leere füllen, doch es geht nicht. Es gibt kein Ende, es gibt nur den Wunsch nach mehr."

 

Die Lösung: er kündigt und kauft sich ein Haus auf dem Land. Dieses hatte er zufällig entdeckt, als er sich einmal verfahren hatte und in ein Waldstück geraten war.

Das Grundstück grenzt an einen See, in der Nähe gibt es eine wenig befahrene Autobahn. Es liegt in der ehemaligen DDR, nur einmal im Buch wird ein Ortsname genannt, Wölfnitz, ein Stadtteil Dresdens, liegt eine halbe Autostunde entfernt.

 

Dorthin also zieht der Erzähler. Er hat keine Ahnung von Gartenbau, doch er hat sich mit Büchern ausgestattet und sein Ziel ist es, sich aus dem eigenen Garten ernähren zu können.

 

Alles lässt sich gut an, er legt Hügelbeete an, lernt den Nachbarn Franz und dessen Sohn Christopher kennen,

ihm gefällt die Kassiererin im Supermarkt, Maja, die er auch einmal zum Essen einlädt. Er besucht ein Dorffest, plaudert mit dem Apotheker und dem Bürgermeister - man bleibt jedoch weitgehend unter sich. Ansonsten ist er alleine mit sich und seinem Laptop, auf dem er Filme anschaut, wenn ihm langweilig ist.

 

Was ihn stört, ist die Unfreundlichkeit eines Handwerkers, was ihn wundert, ist wie feindselig er manchmal angeschaut wird, was ihn ärgert ist, dass zwei Jungs seine Windschutzscheibe anspucken.

 

Diese Kleinigkeiten sind eine Vorbereitung auf das, was in diesem Dorf noch auf ihn zukommt. 

Zuerst ist er nur Zuschauer, wie das Fest plötzlich von einer Gruppe schwarz gekleideter Männer heimgesucht wird und der Metzger eine Tracht Prügel bekommt - danach geht das Fest weiter, als wäre nichts geschehen.

Er erfährt, dass in der Vergangenheit Hochzeitsgäste verprügelt wurden, weil der Bräutigam ein Vietnamese war und auch dass eine syrische Familie so angegangen worden war, dass sie es vorzog, das Dorf zu verlassen.

 

In beiden Fällen konnte die Polizei keine Täter ermitteln, nicht einmal, von wem die Gewalt ursprünglich ausgegangen war. Auch die Verwaltung hält sich bedeckt, man will nicht mit Negativschlagzeilen in die Presse kommen.

 

Bald ist der Erzähler nicht mehr nur Zuschauer und Zuhörer, er gerät in den Fokus von gewalttätigen Männern, die ihre Heimat verteidigen möchten. Gegen diesen zwar Deutschen, aber weil er aus der Stadt kommt, doch Fremden.

Wer weiß, was für Ideen dieser Mensch einschleppen könnte.

 

Er wird in seinem Haus überfallen, das er daraufhin zur Sicherheitsburg mit Bewegungsmelder und Stacheldrahtzaun umbaut, ohne jemals wieder ein Gefühl von Sicherheit zurück zu gewinnen.

Er schläft schließlich im Wald, weil er zu Hause keine Ruhe mehr findet. Sein Garten ist sowieso zerstört, alles ist dahin.

 

In dieser Situation wird er von einer Familie, die in der Nähe wohnt und exemplarisch für Frieden und Freundschaft steht, zunächst für drei Tage beherbergt, später ganz in ihre Gemeinschaft aufgenommen.

Jakob und sein Bruder Johann bewirtschaften mit ihren Frauen und Kindern ein Anwesen, das sie nach der Wende vom Staat zurückgekauft haben und wo sie nun wieder nach den Ideen ihrer Eltern biologisch-dynamisch und in Einklang mit den Lehren Rudolf Steiners anthroposophisch wirtschaften.

 

Der Erzähler kommt sich vor wie in Abrahams Schoß, endlich ist er nicht mehr alleine, endlich ist er in Sicherheit.

Doch eine Bedingung, die Jakob ihm stellt, damit er bleiben darf, konfrontiert ihn noch einmal mit der Tatsache, dass er immer noch im selben Dorf ist.

 

Das ganze Buch ist reich an detaillierten Beschreibungen. 

Der Landschaft oder dessen, was der Erzähler sieht und tut.

Man erlebt alles ganz nah am Erzähler, sieht die Dinge durch seine Augen. Dass er durchgängig in der Gegenwart erzählt, erhöht die Präsenz der Geschichte noch einmal.

Es liest sich streckenweise wie ein Krimi, da er ein gefährliches Versteckspiel mit seinen Angreifern führt,

z.B. als er ein vermutlich heimlich stattfindendes Konzert in der verlassenen Kaserne beobachtet. Ganz in der Nähe hatte er in einem Feld Kornblumen, die in Form eines Hakenkreuzes gepflanzt waren, entdeckt. 

 

Ganz makaber ist, und darauf läuft das Buch hinaus, dass das rettende Ufer am Ende des Romans nichts anderes als die Kehrseite der Medaille ist.

Auf der einen Seite die Mitglieder der Bürgerwehr, die ihm klar gemacht haben, dass sie ihn nicht wollen.

Auf der anderen Seite Jakob, der davon spricht, dass 

"wir noch immer ein besetztes Land sind. Unfrei, den Willen unseres Volkes zu äußern und durchzusetzen. ...

Die Politiker, die eigentlich unsere Interessen vertreten sollten, arbeiten nur noch für die Wirtschaft. ... Aber es gibt immer einen Weg, wenn man sein Denken von den

Verboten befreit."

 

Zuerst irritiert diese Engführung Asdonks, erscheint die Aufnahme in die Gemeinschaft des Hofes wie ein etwas hilflos geratener Versuch, ein schönes Ende herbei zu schreiben. Doch wenn man noch andere Aussagen Jakobs liest, die einem wirklich die Haare zu Berge stehen lassen, wird klar, wie gefährlich die Ideologie der Gemeinschaft ist.  

Sie wirkt hier so harmlos, so selbstlos. Der Fremde, der alleine nicht zurecht kommt, wird aufgenommen.

Er ist dankbar dafür, erkennt, was ihm fehlte, dort, mitten auf dem Land. Dass die Stadt nichts für ihn ist, wusste er ja schon. Als Quintessenz bleibt, dass weder hier noch dort ein Leben nach eigenen Vorstellungen möglich ist.

 

Bastian Asdonk ist ein sehr guter Debütroman gelungen.

Er erschafft einen glaubhaften, ganz menschlichen Helden. Und er entwickelt die Geschichte so geschickt und mit kleinen Hinweisen, dass die Aufmerksamkeit des Lesers durchgängig erhalten bleibt. Sowohl die Gegner des Protagonisten, als auch seine Helfer und die Polizisten bzw. die Verwaltungsbeamten, sind genau gezeichnet, sie sind keine Pappkameraden, wenngleich sie über Eigenschaften verfügen, die man stereotyp nennen könnte. Dies aber, weil man die Verhaltensweisen leider zur Genüge kennt.

 

Stilistisch wie inhaltlich überzeugt der Roman, seine Aussage ist zappenduster. 

 

 

 

 

 

 

 

Bastian Asdonk: Mitten im Land

Kein & Aber Verlag, 2016, 224 Seiten