Joachim Kalka - Schatten und Schnee

Schatten und Schnee sind zwei Phänomene, die die Fantasie des Menschen seit jeher beflügeln.

In zwei brillanten Essays verfolgt Joachim Kalka, geb. 1948, die Spuren, die diese beiden in der Literatur, der Malerei und im Film hinterlassen haben. Der äußerst belesene Autor und Übersetzer streift durch die Jahrhunderte, an unzähligen Orten wird er fündig.

 

Wird der Schatten "im Alltag kaum recht wahrgenommen", obwohl er "größter ästhetischer Aufmerksamkeit würdig wäre ... ist und bleibt der Schnee etwas Erstaunliches".

 

In zwei Teilen widmet Joachim Kalka den jeweiligen Erscheinungen seine volle Aufmerksamkeit.

 

Der Schatten: Er ist fest verbunden mit dem, der ihn wirft - und was passiert, wenn er sich doch löst, eine "paradoxe Unabhängigkeit" erlangt?

Es gibt den berühmten Peter Schlemihl Adalbert von Chamissos, der seinen Schatten gegen ein Säckchen Gold eintauscht und damit zum Außenseiter wird. Ein Mensch ohne Schatten ruft Angst hervor.

Nicht minder berühmt sind Peter Pan, der seinen Schatten verliert, oder Lucky Luke, dessen Schatten schneller schießt als er selbst.

Diese Unabhängigkeit löst große Faszination aus, steht sie doch den Naturgesetzten vollkommen entgegen.

 

Den Schatten sucht man in der Mittagshitze auf, jene, die es nicht tun, meinen, der "Mensch (sei) den Naturprozessen nicht unterworfen". Auch dies gibt Anlass, darüber nachzu- denken, wie sich Mensch und Natur zueinander verhalten.

 

Schatten werfen Zerrbilder an Wände, ein im Film, vor allem der Detektivgeschichte gerne genutzter Effekt, um das Unheimliche zu unterstreichen.

 

Denn mit diesem Unheimlichen ist er eng verbunden - seine Anwesenheit wie seine Abwesenheit.

Er ist Teil des Menschen, er steht für seine Seele und mehr:

"Schatten sind auch unsere Erinnerungen, wesenlos, doch  machtvoll."

 

Der Schnee löst zunächst "Entzücken", dann "Überdruss" und womöglich schließlich "Angst" aus. Auch er ist also ein windiges Wesen, das auf viele Arten auf den Menschen einwirken kann.

Man denke an das blendende Weiß, es steht für Reinheit und Unberührtheit. Aber es kann töten, unzählige Beispiele aus der im Norden spielenden Literatur gibt es dafür.

Im Märchen hat der Schnee seinen festen Platz, auch das Weiß, "Schneewittchen" oder "Frau Holle" sind die geläufigsten.

Das Faszinosum der Fußspuren ist ein Thema für sich, ebenso die Verbindung von Schnee-Weiß und Tod.

Oder das Thema "Winterkrieg".

 

Ich könnte fortfahren mit Bespielen, es reiht sich eins an das andere in diesen Essays, die jedoch weit mehr als eine Auf-zählung sind. Joachim Kalka gleitet (um im Schlittschuh-Bild zu bleiben, denn auch Wintersport wird thematisiert) von einem Gedanken zum nächsten, es ist erstaunlich, wie weiträumig seine Erkundungen sind, was er alles findet und welche Zusammenhänge er herstellt.

 

Die Essays sind bereichernde Ausflüge in die Kunst- und Kulturgeschichte. Sie machen neugierig, den ein oder andern Film anzuschauen, einen Roman zu lesen, Gemälde zu betrachten oder auch sich noch einmal in die "Peanuts" zu vertiefen. Denn das zeichnet die Essays unter anderem aus: Joachim Kalkar scheut sich nicht, den Pfad der klassischen, anerkannten Literatur zu verlassen und sich populären Werken, auch der Jugendliteratur, zuzuwenden.

Dort kann man jedenfalls lernen, was "Chionophobie"  bedeutet, und was es heißt, sich "snowy" zu fühlen ...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Joachim Kalka: Schatten und Schnee

Berenberg Verlag, 2022, 144 Seiten