Nastasja Penzar - Yona

"Die Geburt ist nicht der Anfang",

so lautet der erste Satz dieses starken Romans. Er erzählt die Geschichte Yonas, die kurz nach dem Abitur an

den Ort ihrer Geburt reist. In dieser südamerikanischen Stadt möchte sie herausfinden, wie ihre Mutter starb, warum ihr Vater nach Deutschland floh. Und sie möchte herausfinden,

wer sie selbst ist.

 

"Wenn du gehen willst, musst du wissen, was dort ist, in diesem Haus", er schloss die Augen, runzelte die Stirn, ich wartete lange, setzt mich dann, er war irgendwo. "Dieses Haus, Yona, deine - ", seine Hände umschlossen sich so fest, dass seine Knöchel weiß aufleuchteten. "Yona", er atmete, ich war diese Langsamkeit nicht gewöhnt, wurde unruhig, mein Ton schaltete sich ein, er fing immer schneller an zu kreisen im Schädel, im Uhrzeigersinn, blieb abrupt stehen, legte sich von innen auf meine Stirn. "In dem Haus, mija", der Ton wurde schärfer, fing an zu bohren, "ist deine Mutter", und durchbohrte meine Trommelfelle."

 

In abgebrochenen Sätzen, atemlos, gequält, versucht der Vater über der Tod der Mutter zu sprechen. Es gelingt ihm nicht. Er hinterlässt seiner Tochter ein Familiengeheimnis

und einen Ton in Yonas Kopf, der ein schmerzhafter, manchmal  ihren Körper komplett übernehmender Begleiter wird.

 

Der Roman ist aus zwei Strängen komponiert. 

Zum einen aus den Erinnerungen Yonas an ihr Leben mit dem Vater in Deutschland. Sehr genau, bis in Gesten hinein beschreibt sie diesen Mann, den sie so gut kennt und doch nicht kennt, weil sie nichts über seine Vergangenheit weiß.

Ein liebevoller Vater ist er, einer, der sie beschützt, mit dem sie lachen kann, der jedoch in der Rückschau immer mehr zu einem Fremden wird.

 

Der zweite Erzählstrang beschreibt Yonas Sturz in eine schwindelerregende Gegenwart, umgeben von Menschen,

die von Gewalt und Angst gezeichnet sind, in der täglich Menschen getötet werden, auch Kinder.

Sie lernt einen Mann kennen, der zu den "Ameisen" gehört, einer Verbrecherorganisation ähnlich der Mafia.

Diese hat die Menschen fest im Griff, steht für Korruption und Bandenkriege.

Und sie wird zu "Barriga" geführt, einem Freund oder Feind ihres Vaters. Er lebt nun in dem Haus, das eigentlich ihres ist, und in dem `es´ damals geschah.

 

Yona erfährt die Wahrheit. Zeitgleich findet ein Vulkan-ausbruch statt, so nah, dass sie von Steinen getroffen wird.

Die Wahrheit ist so gewaltig und erschütternd, dass dies die einzig adäquate Kulisse ist, für das, was ein alter Deutscher Yona erzählt. 

 

"Ich drehe mich um, zur finca, sehe Feuer, Staub, ein Wirbeln, dahinter unser Vulkan ... er spuckt, er ist wütend, alles bricht auf, das Haus, meine Augen, der Ton schwirrt irgendwo, grüßt im Vorbeiziehen, ist schneller als wir, ich falle.

Alles ist ein Loch."

 

Der Debütroman der 1990 geborenen Autorin ist in jeder Hinsicht beeindruckend. Personen, Orte, das Leben Yonas und ihres Vaters in Deutschland werden greifbar und lebendig, ebenso ihre Erfahrungen in Amerika.

Die verschiedenen Zeitebenen verflechten sich gekonnt in Yonas Kampf gegen den Ton in ihrem Kopf und für das Wissen, woher sie kommt und wie sie weiterleben möchte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nastasja Penzar: Yona

Matthes & Seitz, 2021, 208 Seiten