Manuel Chaves Nogales - ¡Blut und Feuer!

Helden, Bestien und Märtyrer im Spanischen Bürgerkrieg

Manuel Chaves Nogales war fast fünfzig Jahre lang ein "perfekt vergessener" Journalist und Autor. Geboren 1897 in Sevilla, gestorben 1944 im Londoner Exil, war er einer der führenden Köpfe der 20er und 30er Jahre - bis er im November 1936 Spanien verlassen musste. Zunächst lebte er in Paris, wo er seine Familie zurückließ, als er nach London ging. 

Er stand auf Francos Liste der `verbotenen Namen´,  wurde von LeserInnen, Freunden und selbst seiner Familie vergessen. Anfang der 1990er entdeckte María Isabel Cintas Guillén im Rahmen ihrer Doktorarbeit den bedeutenden Schriftsteller wieder. Sie verfasste auch das einführende Vorwort zu den vorliegenden Erzählungen, die im Rahmen der Werkedition erstmals auf Deutsch vorliegen. Wie das gesamte Werk des mit Viktor Klemperer zu vergleichenden Schriftstellers, das der Kupido Verlag in vierzehn Bänden herausgibt.

 

Chaves Nogales schrieb die neun Erzählungen zwischen Januar und Mai 1937, relativ kurz also, nachdem er Spanien verlassen hatte. Sie sind nicht zuletzt der Versuch, die Geschehnisse dort zu verstehen, einzuordnen, sich selbst Klarheit zu verschaffen.

Sie erschienen in Zeitungen weltweit, der "Prolog" gilt heute als "einer der wichtigste Beiträge zum Bürgerkrieg", so María Isabel Cintas Guillén in ihrem Vorwort.

 

In diesem Prolog bezeichnet sich Manuel Chaves Nogales als "liberalen Kleinbürger". Er habe, "trotz Lobhudelei und Zensur" seine "Wahrheit des liberalen Intellektuellen, des Bürgers einer demokratischen und parlamentarischen Republik nicht verraten." Er weigert sich, Partei für eine Seite zu ergreifen, denn er erlebt "Dummheit und monströse Grausamkeit" überall, bei den Konservativen, den Kommunisten, den Anarchisten.

"Ob Rot oder Weiß, ob Oberbefehlshaber des Heers oder Politkommissar, ob Faschist oder Kommunist, vielleicht sogar keiner von beiden, oder beide gemeinsam, der Rudermeister, der uns unter Peitschenhieben rudern lassen wird, bis man von dieser Galeere runterkommt, wird hier wie da grausam und inhuman sein."

 

Seine Erzählungen orientieren sich an dem, was er "gesehen und erlebt" hat. Er betont, dass seine Charaktere nicht seiner Fantasie entspringen, "jeder ihrer Protagonisten besitzt eine reale Existenz".

 

Die Erzählungen richten den Blick auf die einzelnen Menschen, die er durch ihre Handlungen beschreibt. 

Dabei legt er den Schwerpunkt in jeder Geschichte auf eine andere Gruppe: auf die kommunistischen Milizionäre, die Faschisten, Anarchisten, Mörder und führungslose Banden, auf die marokkanischen Söldner, er erzählt wie der Bürger-krieg begann, berichtet von einem heldenhaften Riesen und der Selbstgerechtigkeit der neuen Herren, die sich wenig von den alten unterscheiden.

 

Es kommt Chaves Nogales darauf an, herauszuarbeiten, wie schnell ein Krieg all die Brutalität, die in einem Menschen steckt, an die Oberfläche kommt. 

In der "Massaker, Massaker" überschriebenen Geschichte, die sich mit den Roten auseinandersetzt, ist zu lesen:

"Das menschliche Leben hatte jeglichen Wert verloren. ...

Diese Männer, die am 18. Juli ihr normales Dasein als Bürger hinter sich ließen, ... trugen schließlich die Barbarei des Krieges in die Stadt zurück, die wilde, grausame Seite des Menschen, der aus Furcht vor dem Untergang gelernt hat, zu töten, und wann immer sich ihm die Gelegenheit bot, es ungestraft zu tun, sie nicht liegen ließ. Die Angst wurde zum Maßstab der Grausamkeit."

 

In der Erzählung "Der Arbeiterrat" wird ein Arbeiter, der sich nicht der "proletarischen Disziplin" unterwirft und die Führer gering schätzt, der ein unabhängiges Leben ohne Unterordnung unter die Gewerkschaft führen möchte, entlassen, und damit dem Hunger ausgesetzt. Er lernt, dass man sich der Gewerkschaft unterwerfen muss, um nicht umgebracht zu werden. 

 

Der Text "Die Reiter des Marqués" beschreibt die Adligen,

die schon seit vielen Jahren am Sturz der demokratisch gewählten Regierung Spaniens gearbeitet hatten und General Franco unterstützten. 

Als Leserin fühlte ich mich zunächst in ein mittelalterliches Szenario versetzt. Wie der Autor eine Gruppe von vierzig Reitern, voran der Marqués, seine Söhne und Landarbeiter, sowie den Pater (die Kirche stellte sich gegen die Republik und den Fortschritt), beschreibt, die sich aufmacht, um den "Roten eine Abreibung" zu verpassen, macht klar, wie konservativ die Konservativen sind.

 

Der Marquéz, an dessen Seite die "Mauren" und Falangisten (Faschisten) kämpfen, spricht einen bedeutenden Satz:

"Das Volk ... ist immer feige und grausam. Man muss es schlecht behandeln. ... Schon immer hat man so regiert, mit dem Knüppel. Das wollen diese Idioten mit ihrer Republik aber nicht wahrhaben."

 

So zieht sich die Gewalt durch alle Gruppierungen, es geht nicht um die Freiheit, es geht um Macht.

Ein paar Kämpfer für die Freiheit gibt es in den Erzählungen, aufrechte und mutige Frauen treten auf  - alle, bis auf eine Figur, der die Flucht ins Ausland gelingt, werden getötet.

 

Dabei steht nicht die Beschreibung der Gewalt im Vorder-grund, sondern die Beschreibung der Mechanismen, die diese hervorbringt.

Und Erkenntnisse über das Innerste eines Menschen:

"Seine anarchistischen Utopien lösten sich in Nichts auf, als er  zum ersten Mal den Drang verspürte, ein Despot zu sein..."

 

In seinen Erzählungen stellt Manuel Chaves Nogales das historische Geschehen anhand der einzelnen Charaktere dar. Dabei erschafft er keine Papiertiger, die Figuren sind durch-weg lebendige Personen, von denen manche noch mit sich ringen, andere haben dies schon aufgegeben. 

Die einen stellen familiäre Bande hinter der Idee zurück, andere wollen sich ein bisschen rächen, manchen liegt noch an der Rettung von Kunstschätzen, wieder andere riskieren ihr eigens Leben für die Rettung eines Gegners.

Sie agieren sehr vielfältig, doch immer unter dem Diktat der Gefahr. 

 

Der Schriftsteller und Journalist versteht es, einen klaren Blick auf die Fakten zu behalten, einen Spannungsbogen aufzubauen und mit seinen vielfältigen Figuren und der Beschreibung all dessen, was passiert, die LeserInnen für einen heute nur scheinbar weit entfernten Konflikt zu interessieren. Die Grundkonstellation hat sich nicht verändert. Gewalt erzeugt Gewalt, das ist keine neue Erkenntnis, aber Chaves Nogales gießt diesen Gedanken in beeindruckende Erzählungen, die brennend aktuell sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Manuel Chaves Nogales: ¡Blut und Feuer!

Helden, Bestien und Märtyrer im Spanischen Bürgerkrieg

Das erzählerische Werk, Band 3

Aus dem Spanischen von Frank Henseleit

Mit einem Vorwort von María Isabel Cintas Guillén

Kupido Verlag, 2023, 250 Seiten

(Originalausgaben 1936-1937 in Zeitschriften)

 

 

 

 

 

 

Näheres zu Vita und Edition können Sie in meiner Rezension des Buches "Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer" erfahren

 

Bitte beachten Sie auch die Besprechung der Reportagereihe "Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes"