Fabio Volo - Zeit für mich und Zeit für dich

 

 

 Fabio Volo hat vor knapp zwei Jahren den Roman „Noch ein Tag und eine Nacht“ auf Deutsch veröffentlicht,

er wurde sofort ein großer Erfolg.

Er ist eine recht turbulente Liebesgeschichte, die in einer norditalienischen Großstadt beginnt und in New York ihre Fortsetzung findet.

In der Straßenbahn lernen Michela und Giacomo sich kennen, kurz nach einer ersten „richtigen“ Begegnung zieht Michela nach New York um, spontan reist Giacomo ihr hinterher. Er macht sie ausfindig, sie werden ein Paar.

Aber kein ganz normales, das von der unendlichen Liebe bis zum Lebensende träumt, sondern sie vereinbaren eine Partnerschaft auf Zeit und diese Idee Volos ist wirklich eine sehr gute, denn sie gibt der ganzen Geschichte eine völlig andere Richtung vor.

Dass auch so eine befristete Bindung (das erinnert doch sehr an einen modernen Arbeitsvertrag) nicht ohne Tücken ist, liegt auf der Hand, sie gibt der Beziehung einerseits eine Leichtigkeit, andererseits große Ernsthaftigkeit.

Volo hat um seine Idee herum eine ganz unspießige Geschichte geschrieben, mit vielen Verbeugungen vor dem Gott Eros, sie liest sich leicht, aber nicht seicht.

 

Nun, im neuen Roman „Zeit für mich und Zeit für dich“, erscheint es mir so, als wäre der Protagonist erwachsen geworden.

 

Lorenzo ist um die vierzig, er ist ein erfolgreicher Werbetexter, der viel arbeitet, gut verdient, aber alles andere als glücklich ist. Er hatte vor ein paar Jahren die Frau seines Lebens kennen gelernt, auch mit ihr zusammen gelebt, wurde jedoch von ihr verlassen, weil er nicht in der Lage war, ihr seine Gefühle zu zeigen und selbst als sie ging noch nicht einmal etwas dazu gesagt hat.

Er kommt sich selbst immer mehr vor wie sein Vater, der meist schweigend vor dem Fernseher saß, wenn er nicht in der Bar arbeitete.

 

Lorenzos Kindheit und Jugend waren vor allem von Armut geprägt. Nicht die, die hungern oder frieren lässt, sondern eine, die sich in gebrauchter Kleidung, niemals Ferien, vielen kleinen Schulden hier und dort, ein vom Vater entführtes Sparschwein und vor allem der Notwendigkeit mit 15 Jahren die Schule zu verlassen, zeigt.

 

Durch einen Zufall lernt Lorenzo Roberto kennen, der ihm die Welt der Musik und der Literatur öffnet, für Lorenzo ist das so etwas wie eine Erweckung.

In diesem Zusammenhang sind einige sehr schöne Passagen über die Notwendigkeit der Kunst zu lesen, auch hier wieder ohne erhobenen Zeigefinger, deshalb nicht weniger bedeutend.

 

Zu dem Zeitpunkt, an dem die Geschichte einsetzt, ist Lorenzo also ziemlich angeschlagen, weil er kaum alleine leben kann und weil er immer stärker das Bedürfnis hat, sich dem Vater anzunähern, endlich eine Beziehung herzustellen. Er gibt sich große Mühe, und man ist gerührt zu lesen, wie die beiden erwachsenen Männer kindlich-linkische Versuche machen, kleine Schritte wagen und lernen, dass es manchmal Worte braucht, um etwas zu verändern und manchmal eine Geste.

 

Ich möchte nicht verraten, wie der Roman endet, nur so viel: Lorenzo ist am Ende ein anderer als am Anfang. Er hat sich bewegt, ist nicht dem Selbstmitleid verfallen und es war schön, ein paar unterhaltende und nachdenkliche Stunden in seiner Gesellschaft verbracht zu haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

Fabio Volo: Zeit für mich und Zeit für dich

Aus dem Italienischen von Peter Klöss

Diogenes Verlag, 2013, 272 Seiten

Diogenes Taschenbuch, 2014, 272 Seiten