Linda Wolfsgruber (Illustration) & Michael Stavaric (Text)

Als der Elsternkönig sein Weiß verlor

Dieses märchenhafte Bilderbuch kommt mit wenig Farbe aus: Schwarz und Weiß, Blau, ein wenig Orange und kleine Farbtupfer in Rot und Olive. Dazu viele Grautöne.

Alles sehr licht und luftig - bis auf die Seiten, die den düsteren Teil der Geschichte erzählen. Jene Zeit, in der der König zum Diktator wird und sein Volk knechtet.

 

Zu Beginn ist alles friedlich. Ein Volk von Elstern lebt in einem Land, in dem es alles gibt, und alles gehört allen zu gleichen Teilen. Paradiesisch.

Eines Tages wacht der Elsternkönig auf, schaut in den Spiegel und ist entsetzt: er hat sein Weiß verloren. Rabenschwarz steht er sich gegenüber. Kormoranschwarz oder gar Drongoschwarz. Das sind afrikanische Vögel, "die den Elsternkönig an eine ihm völlig fremde Welt gemahnten."

Er betrachtet diesen Streich als Majestätsbeleidigung.

 

All seinen Untergebenen läuft ein kalter Schauer über den Rücken, als sie ihn sehen. Keiner spricht ihn auf sein Unglück an, das nimmt er ihnen übel.

Die Kunde vom Schwarzen König verbreitet sich in Windeseile, auch die Frage: ist das noch unser König, oder ein Betrüger? Wurde dieser vielleicht ermordet?

 

Über den Köpfen schwirrt etwas Fragezeichen-Artiges, auch eine Pistole ziert das Bild, die schönen Bäume sind verschwunden, die Vögel sitzen auf Pfosten.

Der König fragt sich, warum die Leute immer so auf Äußerlichkeiten achten, er ist doch immer noch er selbst.

 

Das stimmt nicht, denn er ist wütend, seine Güte ist weg.

Um Ruhe und Gleichheit wieder herzustellen, verbannt er alles Weiße aus seinem Reich.

Federn müssen schwarz gefärbt werden, dann alle Räume, Blumen und Blüten, sogar Salz, Mehr und Milch, die Betten und die Brautschleier.

Und schließlich die Wolken und der Schnee.

Dieser wird aufgeschichtet, mit Pech übergossen und angezündet.

 

Das geht zu weit. Nach drei Jahren kommt es zu einem Streik der Bevölkerung, der König muss abdanken, er verlässt sein Land. Er fliegt und fliegt, über fremde Landschaften, Tiere und Menschen - und wird langsam wieder er selbst.

Im Lauf der Jahre schwindet seine Wut und er hört auf zu fragen, was geschehen ist.

 

"Der Elsternkönig war endlich frei, frei von aller Trauer und Pflicht, frei von jedwedem Zweifel, frei von Zorn und Grimm, er war nur noch er, der Elsternkönig."

Da kommen auch weiße und graue Federn zurück: er ist alt geworden. Alt, weiß, grau, frei und glücklich.

 

 

Es ist erstaunlich, mit wie wenigen Pinselstrichen die Gemütslage eines Vogels dargestellt werden kann.

Hängende Federn, aufgerissene Augen, mutlos geneigte Köpfe, kleine Diskussionsrunden, aufgeregtes Geflatter.

Auf dem letzten Bild, das das Federvolk zeigt (als der König geht), hat fast jeder Vogel etwas im Schnabel: die guten Zeiten kehren zurück.

 

Der Text von Michael Stavaric und die Illustrationen von Linda Wolfsgruber ergänzen sich wunderbar.

Vor allem die schwierigen Zeiten mit ihrer Unruhe und ihren Wirrungen sind sehr eindrücklich, das Chaos sichtbar.

Was am Anfang der Geschichte in den König gefahren sein mag, wird nicht geklärt, das bleibt der Phantasie des Lesers überlassen.

 

Wichtig ist, dass er sich am Ende wiederfindet, wichtig ist auch, dass das Volk nicht klein beigegeben hat.

Frei nach Schiller könnte man sagen; "Gleichheit im Sozialen, Freiheit um Geistigen" - der König musste weit wegfliegen, um das zu erkennen. Da war sein Volk schneller.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Linda Wolfsgruber & Michael Stavaric: 

Als der Elsternkönig sein Weiß verlor

Kunstanstifter Verlag, 2017, 36 Seiten Hardcover mit Halbleinen