Annelies Beck (Text) & Hanneke Siemensma (Illustration) -

Gedanken denken

"Was sind Gedanken?, fragte Nora. Dinge, die du denkst. Was ist Denken? Was du in deinem Kopf tust. Wie denn? Das ist eine gute Frage."

So beginnt der Dialog zwischen der kleinen Nora und einer Stimme, die ihre vielen Fragen beantwortet.

 

Nora sitzt gemütlich auf einem Stuhl, sie schaut verschmitzt in die Welt. Sie ist mit Buntstiften und ganz reduziert dargestellt, ein Mädchen, wie es (vermeintlich) auch ein

Kind gemalt haben könnte. Dadurch entsteht sofort eine unmittelbare Nähe: Nora erscheint nicht als Kunstfigur, sondern als Freundin, oder vielleicht sogar als ein Selbstporträt.

 

Sie wird begleitet von einer Katze und auf sehr vielen Seiten sind Vögel zu sehen. Das könnte eine Anspielung auf das Lied `Die Gedanken sind frei´ sein, oder auch darauf, dass die Gedanken ein Eigenleben führen.

 

Sie sind schwer zu fassen, fangen kann man sie kaum, in Käfige sperren erst recht nicht. 

Sind Gedanken immer da? Kann man einen Gedanken wollen? Können Gedanken verschwinden?

Diese und weitere Fragen stellt Nora, beantwortet werden

sie häufig mit einem `mal so, mal so´, oder auch mit einem abwägenden `ja, aber´. 

Die erklärende Stimme spricht Nora immer direkt an:

"Mal spielst du mit einem Gedanken und mal macht ein Gedanke mit dir, was er will."

Oder: "Kann man einen Gedanken wollen? Ja klar, aber der Gedanke will dich nicht immer. Mal weht ein Gedanke vorbei wie ein Duft. Mal kannst du dir einen Gedanken überlegen.." 

 

Die Antworten auf Noras Fragen sind prägnant, ohne Umschweife vorgetragen und werden durch die Illustra-tionen griffig und lebendig.

So ist ein schwerer Gedanke wie ein großer Quader, den Nora in die Luft stemmen muss.

Die Überlegung "Kann man Gedanken festhalten?" ziert ein großes, von Nora selbst gemaltes Bild, das eine ganze Schar davonfliegender Schwäne zeigt.

Ein Gedanke, der ihr nicht aus dem Kopf gehen will, erscheint als ein Zwilling, der neben dem Mädchen her hüpft.

Verschwindet ein Gedanke, nennt man das vergessen: hier ist eine ganze Seite schwarz übermalt. Wie bunte Murmeln liegen noch einige Gedanken am Boden, Nora kniet zwischen ihnen und versucht, die eine oder andere einzusammeln.

 

Der Gedanke "Denken ist Tun" taucht ganz am Anfang schon auf: Er ist Sehen und Hören, Zupfen und Ziehen, Fragen und Fühlen.

Am Ende, nachdem ausgeführt wurde, dass sich Gedanken mit anderen Menschen teilen lassen, ist zu lesen: 

"Dann fließen Gedanken von deinem Kopf in deinen Mund und dein Herz, in deine Hände und Füße. Dann wird aus Denken Tun."

Das begleitende Bild zeigt hier, wie der Gedanke auf Noras Schultern steht und die Katze aus einem Baum rettet.

Das Denken ist nicht nur im Kopf, es ist im ganzen Körper - und hilft, über sich selbst hinauszuwachsen.

Ein wahrlich schöner Gedanke!

 

Ein wunderbar spielerisch-leichtes Buch also, das in ein komplexes Thema entführt und einführt und die junge Fragestellerin ernst nimmt. 

Es ist für Leser:innen ab vier Jahren und für Nachdenkliche jeden Alters ein Gedicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Annelies Beck (Text) & Hanneke Siemensma (Illustration):

Gedanken denken

Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf

Bohem Press, 2023, 40 Seiten, vollfarbig

(Originalausgabe 2022)