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Juni 2019

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Kristiane Kondrat:

Abstufung dreier Nuancen von Grau

Eine Ich-Erzählerin reflektiert ihr Leben in der neuen und in der alten Heimat. Dabei verwischen innere und äußere Realität, Träume und Erinnerungen, verschiedene Zeit-ebenen fließen ineinander - nichts ist gewiss in einem Leben, das im Exil stattfindet. Das Buch trägt autobio-graphische Züge, doch der Text, der von Isolation, Verwirrung und Ängsten erzählt, ist nicht nur die Beschreibung eines Einzelschicksals zu einer bestimmten Zeit. Der Roman ist zeitlos und ohne Bindung an Orte. 

Er erzählt in sehr poetischer Sprache vom existenziellen Verlust der Heimat, in der alles zurückgelassen wird, außer der eigenen Ohnmacht. 

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Bjarte Breiteig:

Die kennen keine Trauer

In sieben Erzählungen beschreibt Breiteig Menschen in besonderen Situationen. In ihnen konzentriert sich ein Leben oder drückt sich eine Haltung aus. Die Männer sind gebrochene Helden, Frauen kommen eher am Rande vor, meist als Abwesende.

Doch zwischen die Zeilen hat der

Autor Sehnsucht und Hoffnung gewebt.

Letztere begründet sich in der Intensität, mit der die "Helden" die beschriebenen Ereignisse erleben. Wirken die Texte auf den ersten Blick kühl, fast einfach, entdeckt man bei genauerer Betrachtung und der Suche nach den inneren Verbindungslinien, wie fein sie gestaltet sind.

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Kai Wieland: Amerika

Ein Fremder kommt als Chronist in ein halb verlassenes Dorf im Schwäbischen Wald. Er sitzt in der einzigen Kneipe und stellt den Stammgästen Fragen -

es dauert nicht lange und sehr alte Geschichten kommen ans Licht, sogar ein Geheimnis, das jahrzehntelang gehütet worden war. Manchmal muss ein Fremder kommen und die Fragen stellen... Kai Wieland stammt aus dieser Gegend, er kennt die Mentalität, er hat die persönlichen Geschichten seiner Figuren gekonnt mit dem Zeitgeschehen verknüpft, er hat den Ton sehr gut getroffen - ältere Leser werden diese Typen wiedererkennen, jüngere viel lernen können in diesem Roman, der so nah an der Realität angesiedelt ist.

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Boris Poplawski: Apoll Besobrasow

Besobrasow ist ein ungebundener Geist, einer, der ausschließlich seiner eigenen inneren Stimme folgt, weder Vergangenheit noch Zukunft kennt, sondern in einer Art ewiger Gegenwart lebt - das klingt nach großer Freiheit,

in Wahrheit ist es Entwurzelung und Verlorenheit. Er ist ein russischer Exilant in den zwanziger Jahren in Paris, wie auch die anderen jungen Menschen, die sich um ihn herum einfinden, und für eine begrenzte Zeit eine feste Gruppe, eine Schicksalsgemeinschaft, bilden. Der Zufall trägt sie von Paris aus an den Gardasee, doch auch dort, in den Bergen, finden die schwebenden Geister keine Ruhe.

Olga Radetzkaja hat die expressive, lyrische Sprache  vortrefflich ins Deutsche übertragen, das Buch schillert und leuchtet in allen Farben.

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