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Dezember 2018

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Anne von Canal: Der Grund

Lawrence Alexander ist Pianist auf einem Kreuzfahrtschiff. Dies ist eine Art zweites Leben, denn er wurde in eine groß-bürgerliche Familie hineingeboren, trug den Namen Laurits Simonsen und hatte einen ganz anderen Beruf.

Der Leser erfährt die Geschichte, die im Jahr 2005 spielt und Rückblicke in die Vergangenheit wirft, nach und nach und kann sich so das Bild eines Menschen zusammen setzten, der mehr als einmal ganz von vorn angefangen hat. Psychologisch fein gezeichnet und in einer bilderreichen Sprache erzählt, ist dieses Debüt ein sehr gelungener Roman, der die Frage aufwirft, wie oft ein Mensch neu beginnen kann - und ob es möglich ist, der Vergangenheit ewig auszuweichen.

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Marius Daniel Popescu:

Die Farben der Schwalbe

Der Protagonist, ein Wanderer zwischen der Schweiz und Rumänien, reist anläss-lich des Todes seiner Mutter in das Land seiner Kindheit, das Land der "Einheits-partei". Die aufkommenden Erinnerungen an das weit entfernte Damals verwebt er mit Erlebnissen und Ereignissen die bis in die Gegenwart reichen. Aus verschiedenen Blickwinkeln und von mehreren Erzählstimmen getragen, setzt sich ein Lebens-Bild zusammen, das vielfältiger nicht sein könnte. Ganz berührend ist die Verbundenheit mit seiner Tochter,

die sich in Spiel, auch Sprachspiel, ausdrückt - immer wieder wird deutlich, dass die Sprache es ist, die die verschiedenen Welten zusammenhält.

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Alvydas Slepikas: Mein Name ist Maryté

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchen viele Kinder, die vollkommen auf sich alleine gestellt sind, über die Memel von Ostpreußen nach Litauen zu kommen, um dort bei Bauern Obdach und Nahrung zu finden. Häufig ernten sie Prügel, sie sind illegal und müssen sich in den Wäldern verstecken. Diesen sogenannten "Wolfskindern" widmet Alvydas Slepikas seinen auf vielen Gesprächen und Recherchen beruhenden Roman, der vor allem eines sehr deutlich macht: die Grausamkeit des Krieges.

Am allerdeutlichsten wird dies an den Kindern, deren Leid weit über das offizielle Ende des Krieges hinaus andauert.

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Lucía Puenzo: Die man nicht sieht

Ismael, Enana und Ajo bilden ein perfekt eingespieltes Diebestrio. Weil sie so gut sind, werden sie von ihrem Patron Guida nach Uruguay geschickt, um dort die Villen einiger Superreicher auszuräumen. Schnell ist ihnen klar, dass der Auftrag, den sie bekommen haben, nicht durchführbar ist. Etwas länger dauert es, bis sie merken, dass sie nur Rädchen in einem ganz anderen Spiel sind - und nichts als Kanonenfutter. Lucía Puenzo hat ein tempo- und bildreich erzähltes Sozialdrama geschrieben, das mit vielen überraschenden Wendungen aufwartet und den Leser mit einer harten Welt konfrontiert.

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James Baldwin: Beale Street Blues

"Der wird noch versuchen, mich dranzukriegen" - so Fonny, nach dem Zusammenstoß mit einem weißen Officer. Er sollte recht behalten: der Zweiundzwanzigjährige wird wegen einer Vergewaltigung, die er nicht begangen hat, verhaftet. Von jenem Mann, der die weiße Justiz in Person ist - ein rassistischer Officer, der sich in seiner Ehre verletzt gefühlt hatte. Und der am längeren Hebel sitzt, salopp gesagt. Vor allem Fonnys Freundin Tish, 19, versucht zusammen mit ihrer Familie alles Erdenkliche, um Fonny aus dem Gefängnis zu holen, denn Tish ist schwanger. Diese junge Frau erzählt in sich verschränkenden Handlungssträngen aus Vergangenheit und Gegenwart die Geschichte einiger Individuen, genauso aber die des Landes und der Afroamerikaner. Vielschichtig und präzise, im Ton direkt, jung, weltlich, entsteht so ein Bild von Leid und Hoffnung, Ungerechtigkeit und Liebe.

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