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Februar 2019

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Vicente Valero: Übergänge

Die Beerdigung eines Jugendfreundes des Ich-Erzählers gibt ihm Anlass,

über gemeinsam erlebte Ereignisse der Kindheit und Jugend nachzudenken. Auch dem eigenen Leben nachzu-spüren und der Geschichte der Insel Ibiza, der Heimat der Freunde (und des Autors). Keineswegs sentimental unternimmt der Erzähler diese Reise

in die Vergangenheit, er verwebt sie in die ganz aktuelle Szenerie von Kirche, Friedhof, Bar  - übergangslos von einem Satz zum nächsten in eine andere Zeit wechselnd, erzählt er von den Übergängen, die ein Leben prägen, durch das er flaniert, wie durch eine "Erinnerungslandschaft".

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Laura Freudenthaler: Geistergeschichte

Die Klavierlehrerin Anne hat sich ein Freijahr genommen. Ihr eigenes Spiel möchte sie pflegen und ein Lehrbuch schreiben. Doch sie ist völlig aus dem Takt geraten, weil sie meint, ihr Mann Thomas hätte eine Affäre.

Anstatt zu spielen wandert sie durch die Stadt, stellt sich vor, wie Thomas sich mit "dem Mädchen" trifft - und sieht Schatten durch die Wohnung huschen, ein Gesicht am Fenster etc. Realität und Vorstellung verschwimmen, es

ist nicht mehr zu unterscheiden, was passiert und was passiert sein könnte. Laura Freudenthalter gelingt es, den Leser vollkommen in die Wahrnehmung und Gedankenwelt  Annes hineinzuziehen, ihn in einen Raum voller Spiegel und in die Schwebe von Wirklichkeit und Phantasie zu entführen. Dabei überlässt sie es dem Leser, die Geistergeschichte zu deuten, ihr Roman ist kein psychologisches Dossier, sondern ein Sprach-Kunst-Werk.

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James Baldwin: Nach der Flut das Feuer

Aus zwei Briefen besteht dieser Essayband, der heute so aktuell ist wie bei seinem Erscheinen 1963. Baldwin analysiert in seinen Texten den seit der "Emancipation Proclamation" 1863 unveränderten Rassismus, der sich in allen Bereichen des Lebens zeigt und der seiner Ansicht nach nur gemein-sam von Schwarzen und Weißen überwunden werden kann. Das ist ein revolutionärer Gedanke: die Befreiung der Weißen ist so nötig wie die Befreiung der Schwarzen - nur so kann eine neue, für alle gerechte Gesellschaft entstehen. Sein leidenschaftliches, klares und kraftvolles Plädoyer für den Humanismus und

die Freiheit verknüpft eigene Lebenserfahrung mit den Strukturen des Rassismus in den Köpfen, in den Institu-tionen - es ist die umfassende Betrachtung eines Problems, das nicht auf die Vereinigten Staaten begrenzt ist. 

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Marguerite Duras: Der Liebhaber

Die Liebesbeziehung einer in Französisch-Indochina lebenden fünfzehnjährigen Französin zu einem deutlich älteren Chinesen steht im Mittelpunkt dieses in den 1930er Jahren spielenden Romans.  Doch diese Liebe

ist nur ein Thema des Buches, das neben der Familie des Mädchens, dem Zeitgeschehen bis ins Nachkriegs-Paris hinein auch den Alltagsrassismus in den Kolonien beschreibt. Ein schmales Buch mit einer Fülle an Gedanken, in Miniaturen gefasst, die es zu wesentlich mehr als einer Liebesgeschichte machen.

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