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Juni 2017

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Oliver Diggelmann: Maiwald

Der Journalist Andras Winteler erhält die Nachricht vom Freitod des Psychiaters Klaus Maiwald. Dieser ist eine sogenannte Person öffentlichen Interesses, Winteler möchte einen Nachruf schreiben. Das Besondere für ihn ist: er kennt Klaus Maiwald seit seinem vierzehnten Lebensjahr, er ist der Vater seiner Jugendliebe Simone. Winteler hofft, mit seinen Recherchen auch etwas über das Verschwinden und den Tod von Simone im Jahr 1990 herauszufinden. Winteler taucht ein in die Hausbesetzer-Szene der 1980er und ein Stück weit auch in die Siebziger, als die Eltern der beiden gemeinsam in einer Kommune lebten (wie er jetzt erst erfährt). Die Geschichte entwickelt sich immer mehr zum Krimi - und zu einer Beleuchtung der menschlichen Seele. Winteler muss viel von dem, was er für wahr und gesichert hielt, revidieren. 

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John Clare: Reise aus Essex

Clare gehört in England zu den großen Naturdichtern der Romantik.

In Deutschland ist er weitgehend unbekannt, nun liegt endlich ein Band mit autobiographischen Schriften vor, die es ermöglichen, den Dichter zu entdecken. Detailliert und mit dem Anspruch der Wahrhaftigkeit beschreibt Clare in diesen Fragmenten seine Entwicklung von Kindesbeinen an bis zum Mannesalter und sich einstellendem Erfolg als Dichter. Herzstück des Buches ist der Bericht über einen viertägigen Gewaltmarsch nach der Flucht aus einer psychiatrischen Anstalt, in die er mit achtundvierzig Jahren eingewiesen worden war. An Körper und Seele völlig zerschunden kommt er zu Hause an, sein Text beschreibt eindrücklich seine Verzweiflung. Er kommt nicht wieder auf die Beine und verbringt die letzten dreiundzwanzig Jahre seines Lebens in der Psychiatrie. Doch die Gedichte und Essays, die er zuvor schrieb, sind einzigartig und machen ihn zu einem großartigen Chronisten des englischen Landlebens.

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Ernst Jandl - Ian Hamilton Finlay:

not / a concrete pot - Briefwechsel

Der hier erstmals publizierte Briefwechsel gibt Einblick in die Werkstatt zweier Dichter, beide Vertreter der Konkreten Poesie.

Sie tauschen sich sehr vertraut über Persönliches, die Schwierigkeiten des Veröffentlichens und Verlegens, die gesundheitlichen und finanziellen Malaisen aus - und über Fragen der Poesie. Was kann Konkrete Poesie, woran bemisst sich der ästhetische Wert eines Kunstwerkes? 

Beide suchen und ringen, mit sich selbst, der Poesie, dem Leben. Der Briefwechsel ist "Zeuge eines poetologischen und poetischen Gesprächs", dargelegt in einem sehr schön gestalteten Buch mit vielen Abbildungen.

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Graham Greene & Annika Siems:

Der dritte Mann

Wien, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, die Stadt ist unter den Alliierten aufgeteilt. Dorthin kommt Rollo Martins auf Einladung seines Freundes Harry Limes. Doch Martins kommt gerade rechtzeitig zur Beerdigung Harrys, er wurde überfahren. Martins kommen Zweifel, er vermutet einen Mord. Er spürt dem Vorfall nach und muss erfahren, dass Harry der Kopf einer Schieberbande war, die mit Penicillin sehr viel Geld verdiente. Es entwickelt sich eine spannende Kriminalgeschichte, die im Kern die Frage nach Gut und Böse stellt. Der gleichnamige Film von Carol Reed ist ein Klassiker, die Lektüre des Buches ist trotzdem sehr lohnenswert, da hier die erzählerische Tiefe besser erfasst werden kann. Außerdem bereichert Annika Siems die vorliegende Ausgabe mit ihren Tuschezeichnungen in Sepia und Schwarz, deren Licht- und Schattenspiele den Geist der Zeit und der Stadt wunderbar in Szene setzen.

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