Lyrik

Gilbert Fels: Der Gebrauch von Gärten - Eine Lyrikerzählung

Gärten als von Menschen gestaltete Natur reflektieren ein Denken, eine Sichtweise, ihre Entwicklung ist ein Indiz für Veränderungen gesellschaft-licher oder persönlicher Art - und bieten zugleich die Möglichkeit, der Zeit zu entfliehen. Die Welt der Gärten ist unglaublich vielfältig, vor allem, wenn man einen so weiten Begriff davon hat, wie Gilbert Fels: er besucht berühmte Gärten wie den Monets in Giverny oder die Insel Reichenau, er verschließt sich aber nicht dem Charme von Topf- oder Gleisgärten. Die feine Lyrikerzählung speist sich aus Erinnerungen und Gedanken über Natur und Natürlichkeit, zugleich ist sie eine Einladung an die Leser:innen, Augen und Ohren aufzusperren und sich bezaubern zu lassen. Der Garten Eden ist eine Idee - nicht zufällig ist die Vorstellung vom Paradies in einem Garten verortet.

Zur Besprechung

 

 

 

Alfonsina Storni: Ultrafantasía

Die Gedichte Alfonsina Stornis sind echte Abenteuer. Sie sprühen vor Fantasie, "Ultrafantasie", zugleich sind sie fest in der Realität verankert. Wie auch in ihrer Prosa widmet sie sich dem Leben der Frau im Patriarchat, ihren Erfahrungen als ledige Mutter. Aber sie reflektiert auch ihr Sein als Dichterin und als Liebende. Häufig verwoben mit Bildern der Natur, manchmal ironisch, manchmal traurig, immer mit klarem Blick. Sie kann frech sein, weich oder kantig, sie hat eine ganz eigene Stimme, der zu lauschen man nicht müde wird. 

Zur Besprechung

 

 

 

Ralph Roger Glöckler: Kinderdämmerung - Gedichte aus fünfzig Jahren

Diese umfangreiche Gesamtschau auf das dichterisches Werk Ralph Roger Glöcklers versammelt eine Auswahl aus verschiedenen, seit 1968 erschienenen Werken, sowie unveröffentlichte und späte/ undatierte Gedichte. Hier lässt sich der Weg des Dichters nachver-folgen, die Entwicklungen der Themen und des Tones, der Formgebung und der Haltung. Die Gedichte legen Zeugnis ab von Reisen ins Ich, in die Welt, in die Worte. Sie sind klar, auf das Wesentliche reduziert, es gibt keine Abschweifungen. Ein jedes Gedicht ist ein für sich stehendes ästhetisches Werk und zugleich verbinden sie sich zu einer Gesamtkomposition. Je öfter man sie liest, desto stärker klingen sie. 

Zur Besprechung

 

 

 

Margherita Costa:

Die schöne Frau bedarf der Zügel nicht

Die Römerin Margherita Costa (ca. 1600-1657) verfasste ein riesiges Werk, war nebst Schriftstellerin auch Opernsängerin, Kurtisane, Vertraute mächtiger Fürsten und Päpste, Mütter einiger Töchter, Lebensgefährtin dubioser Männer, Satirikerin, Pornographin, Geschäftsfrau und vor allem ein mutiger Freigeist. In Leben und Werk galten keine Schranken für sie, vor allem nicht die ihrem Geschlecht auferlegten. Nach 400 Jahren kann dieses Werk nun erstmals auf Deutsch gelesen werden, frisch und frech übersetzt von Christine Wunnicke, die auch die Auswahl traf und ein einführendes Porträt verfasste. Bei der Lektüre kann man immer wieder nur staunen, lachen, sich wundern über diese Fülle und Sinnlichkeit, diese Lust am Widerspruch, an der Karikatur, Parodie und Exzentrik.

Zur Besprechung

 

 

 

Radna Fabias: Habitus

Die Gedichte der 1983 in Curacao geborenen, seit ihrem 17. Jahr in den Niederlanden lebenden Autorin erzählen von einem Leben in zwei Welten und dem Versuch, als Frau anzukommen. Das heißt nicht zuletzt, die Erfahrungen, die sich in den Körper einschreiben, die den "Habitus" formen, zu  versprachlichen. Die Gedichte sind konkret, in der Wirklichkeit verankert, aber Radna Fabias schreibt ihnen eine Ebene ein, die hinter dem Bekannten, unter dem bislang Gesagten liegt. Sie fließen und klingen, sie fordern das Mitdenken der Lesenden ein, sie fordern den Verstand und beschenken mit ästhetischem Genuss. 

Zur Besprechung

 

 

 

Vera Schindler-Wunderlich:

Langsamer Schallwandler

Die Gedichte dieses Lyrikbandes treten in ein Gespräch mit sich selbst und mit den LeserInnen. Sie loten in vielen verschiedenen Formen mit verschobe-nen Zeilen, Leer-Räumen, Einschüben, Wellenbewegungen und weiteren Kapriolen das Leben der Menschen und das der Worte aus. Wo fließt es weiter, wo gibt es Brüche?

Wo Brücken? Der Alltag wird ebenso bedacht wie die Ausnahmesituation, die Natur spielt eine große Rolle, die Reflexionen des Denkens in ihr. Es sind schöne Gedichte, schöne Bilder, verdichtete Gedanken in feinen Tönen. 

Zur Besprechung

 

 

 

Doris Runge:

die schönsten versprechen

Doris Runges neue Gedichte sind knapp in der Form, auf den ersten Blick schlicht, doch sie erzählen ganze Geschichten, sie klingen und singen. Inspiriert vom Meer spricht sie von Verwandlung, Sehnsucht, Träumen und Hoffnung. Auch die Ironie ist ihr nicht fremd, sie reflektiert die Zeit-geschichte und Praktisches, vor allem aber das menschliche Leben in all seinen Facetten.

Eine ganz große Lesefreude!

Zur Besprechung

 

 

 

Raoul Eisele: einmal hatten wir schwarze Löcher gezählt

Die Gedichte Raoul Eiseles fragen nach dem Ur-Grund des Menschen.

Der Dichter spürt diesem nach in Natur-phänomenen, Gefühlen, Erinnerungen.  Er spricht, singt, von der Liebe, vom Verlust, der Zuversicht und der Trauer.

Er ist worterfinderisch, arbeitet mit Auslassungen und Wiederholungen,

lässt seine Verse überschwappen, erzeugt Nachhall - und beschenkt die LeserInnen mit Gedankenfunken.

Eine wunderbare Lektüre.

Zur Besprechung

 

 

 

Christine Langer: Ein Vogelruf trägt Fensterlicht, Gedichte

In ihrem fünften Gedichtband begibt sich die Dichterin mit Leib und Seele in die Natur. Das lyrische Ich wird ganz Wahr-nehmung und mehr als das. Die Idee der Anverwandlung erweitert Christine Langer um die der Hineinverwandlung, in Bäume, Wolken, Licht, Wasser, Wurzeln ...

Die Gedichte klingen, sie sind bildhaft, sinnlich und hoffnungsvoll. Sie erzählen auch von der Zeit, der Sprache, dem Denken und der Poesie, in einer fließenden Sprache, harmonisch bis in die Silben hinein. Ein Buch, das ein Gefährte werden kann! 

Zur Besprechung

 

 

 

Kathrin Niemela: wenn ich asche bin, lerne ich kanji, Gedichte

Kathrin Niemelas Gedichtband ver-sammelt fünf Zyklen, von denen "die süße unterm marmeladenschimmel" mit dem Irseer Pegasus ausgezeichnet wurde. Zurecht, denn dieses Debüt zeichnet sich durch eine eigene poetische Stimme aus, durch Vielfalt, Wortschöpfungen, weiträumiges Denken. Die Autorin ist der Liebe und ihrem  Scheitern, gesellschaftlichen Fragen, der Suche nach ihren Wurzeln in Ostpreußen auf der Spur, auch den Veränderungen der Welt durch die Digitalisierung. Niemelas Gedichte sind wie die Kanji, japanische Schriftzeichen, die eine harmonische Einheit bilden, jeder Strich hat seinen Platz und seine Bedeutung. Ein sehr schönes Erstlingswerk!

Zur Besprechung

 

 

 

Frída Ísberg: Lederjackenwetter

Eine junge Stimme der isländischen Poesie, die hier erstmals auf Deutsch zu lesen ist. Frída Ísberg lotet in ihren Gedichten das Verhältnis eines Ich zur Welt aus. Sie spielt die Frage: wie dick muss die Haut werden, um die Welt auszuhalten, wie dünn muss sie bleiben, um die Empfindsamkeit nicht zu verlieren? in vielen Variationen durch. Sie verbindet eine scheinbar schlichte Sprache mit eigenwilligen Bildern, schafft Gedichte, die unter die Haut gehen und den Geist weiten. Eine schöne Lektüre, auch dank der gelungenen Übersetzung.

Zur Besprechung

 

 

 

Safiye Can: Poesie und Pandemie

Safiye Cans Gedichte reflektieren die Zeit der Corona-Pandemie, ohne diese konkret zu nennen. Denn sie ist nicht die einzige Pandemie, neben ihr existieren Rassismus,  Frauenfeindlich-keit oder die Ausbeutung der Natur -

sie alle sind tödliche Krankheiten.

Mit viel Gespür für Rhythmus und Sound, in kurzen, konkreten oder abstrakten Gedichten, sowie in einem Langgedicht geht die Dichterin der Frage nach: Was muss sich ändern?

Zur Besprechung

 

 

 

Dincer Gücyeter:

Mein Prinz, ich bin das Ghetto

Der neue Gedichtband Dincer Gücyeters spannt sich zwischen Deutschland und Anatolien, zwischen Heimat und Fremde, Sehnsucht und Nähe. Bildstark und wortgewaltig blickt der Dichter tief in die Risse und Spalten der menschlichen Existenz, öffnet mystische Räume, in die die Wirklichkeit hineinspielt oder bricht. Seine Stimme öffnet viele neue Räume, bei ihm `darf´ auch ein "Gott in der Gaysauna" sitzen...

Zur Besprechung

 

 

 

Linda Vilhjálmsdóttir:

das kleingedruckte

In klaren Gedichten, die von Frauen-leben in der Vergangenheit und Gegenwart, einem poetischen Ich, das die Bühne betritt und Gehör fordert, und auch der Politik sprechen, reflek-tiert Linda Vilhjálmsdóttir die reale Welt. Arbeitsbedingungen, Armut, Erwartungen und menschliche Verhältnisse sind die Themen, die sie in kraftvoller Sprache offenlegt.

 

zur Besprechung

 

 

 

Boris Schapiro:

Aufgezeichnete Transzendenz

Für Boris Schapiro, in Moskau ein Klassiker, in Deutschland ein immer noch zu entdeckender Künstler, ist Poesie die Möglichkeit, das Unsagbare zu sagen, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Dichtung verwandelt, den Dichter, den Leser. Dem Zauber des Augenblicks stellt er das Ewiggültige zur Seite, seine Quellen sind die Religion, die Dichter der Weltliteratur, aber auch die Erkenntnisse der Naturwissenschaften. Schapiro, Physiker, Mathematiker, Philosoph, Musiker und Dichter, singt mit seinen Gedichte Lieder, die die Schönheit preisen und auch den Tod nicht verschweigen. 

Zur Besprechung

 

 

 

Luigi Reitani: Hölderlin übersetzen - Gedanken über einen Dichter auf der Flucht

Einen Dichter, der vor 250 Jahren geboren wurde übersetzen - in eine andere Sprache und in eine andere Zeit - die unsere: Luigi Reitani, Herausgeber der Werke Hölderlins und Übersetzer ins Italienische, führt in sieben brillanten Essays aus, wie gewaltig, 

wie modern das Werk Hölderlins ist. Nicht nur hat es in verschiedenen Sprachen und Kulturen seine unauslösch-lichen Spuren hinterlassen, es inspiriert bis heute Dichter und LeserInnen. Reitani gibt einen kurzen, aber profunden Einblick in das Werk des Dichters, die Werkstatt des Übersetzers, vor allem aber in die Weite des Sprach- und Gedankenraums des Dichters, der ungebrochen fasziniert.

Zur Besprechung

 

 

 

Thien Tran: Gedichte

Mit dem Begriff "Existenzerforschung" lassen sich die mehr als hundert Gedichte Thien Trans (vielleicht) fassen. Ein "Ich" sucht einen Platz in der Welt - welcher Welt, muss sofort gefragt werden. Ausgehend von Naheliegendem, Sichtbarem, Hörbarem, oder auch von einer Idee, wie "Demokratie" oder "Musique Conrcéte", fliegen die Gedanken Thien Trans über die Zeilen hinaus. Er bleibt nah an der Welt, zugleich gibt es kein Gedicht, das nicht einen tiefen Raum unterhalb der Oberfläche trägt. Verschiedene Ebenen der Wahrnehmung und des Seins überlagern sich, gehen ineinander über - Thien Tran (1979-2020) lotet Möglichkeiten aus. Sie geben viel zu bedenken, diese Gedichte, sie sind aber auch einfach schön.

Zur Besprechung

 

 

 

Knut Odegard: Die Zeit ist gekommen

Diese starken, mutigen und melo-dischen Gedichte rühren ans Innerste. Sie schrecken vor keinem Thema zurück, nennen Verzweiflung und Untergang beim Namen.

Sie tun dies aber mit einer solchen Hinwendung zum Menschsein, dass der Trost dem Grauen eingeschrieben ist und trösten können, Mut machen, indem sie viel zumuten. Die Gedichte nehmen Sagen und Mythen auf - der Mythos bildet nicht die historische Wahrheit ab, er zeigt die Struktur dahinter. Odegards Gedichte könnten helfen, den dystopischen Alptraum mancher Gedichte im Bereich des Traumes zu belassen. Eine bereichernde Lektüre!

Zur Besprechung

 

 

 

Nadine Olonetzky: Belichtungen

Dieses sehr persönliche Buch versammelt 55 Texte und 25 Bilder Nadine Olonetzkys. Diese entstanden durch Licht und Zeit: auf Papier gelegte Fundstücke wurden der Sonne überlassen, das Papier vergilbte, die Gegenstände blieben als Schattenrisse erhalten. Sie sind eine Art Zeitspeicher, eine Sammlung vieler Augenblicke, Zeugnisse der Vergangenheit - oder der Gegenwärtigkeit? Nadine Olonetzky umkreist die Themen Zeit, Erinnerungen, Wirklichkeit. Sie stellt Fragen, versucht Antworten in Gedichten und Bildern. Das ungewöhnliche und sehr sorgfältig edierte Buch schenkt dem Leser das eingefangene Licht, die eingesammelte Zeit. Es ist ein Zeugnis der Geduld und der Reife, es ist eine Freude, es in den Händen zu halten.

                                             Zur Besprechung

 

 

 

Sigurdur Pálsson:

Gedichte erinnern eine Stimme

Sigurdur Pálsson schrieb diese Gedichte in dem Wissen, nicht mehr lange zu leben. Doch sie sind weder dunkel noch depressiv, im Gegenteil, Pálsson feiert in ihnen das Leben.

Licht und Schatten, Musik, Schönheit, Sinnlichkeit, die Poesie: sie geben dem Leben Gehalt, der Dichter verleiht ihnen Gestalt.

Die Gedichte sind in einer reduzierten Sprache verfasst, ernst und nachdenklich, zugleich leicht und mit Humor -

und mit großer poetischer Kraft. Pálsson hat eine sehr persönliche und das Menschsein feiernde Poesie geschaffen, seine Stimme, seine Gedichte haben Bestand. 

Zur Besprechung