Die Liebe

 

 

Georgi Tenev:

Christo und die freie Liebe

Der Ich-Erzähler, ein Bulgare wie Christo, soll in New York ein Interview mit dem berühmten Verhüllungs-Künstler machen. Dessen lebenslanger Liebe zu Jeanne-Claude, im Roman heißt sie Pilar, steht die Idee der freien Liebe des Erzählers diametral entgegen - oder doch nicht? Der Roman, der sich den Themen Freundschaft, Liebe, Treue, Verrat, Schicksal und der Frage nach dem Alten und Neuen Menschen widmet, erkundet das Leben des Erzählers und die vielleicht letzte Utopie: die Liebe. Und wie diese mit der Idee von Freiheit harmonieren kann... Ein schmaler Roman, der weite Flügel ausbreitet und ein fantasievolles und enthüllendes Spiel treibt.

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Drago Glamuzina: Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik 

Vierzehn Menschen sitzen eine Nacht lang zusammen und erzählen sich Dinge, die sie niemals erzählen wollten. In diesem modernen Dekameron werden alle Möglichkeiten ausgelotet, "was die Menschen sind und wozu sie fähig sind." Es geht um die Ereignisse, die das Leben verändert haben, "dessen wir uns schämen oder das wir fürchten." Der Ton variiert je nach Erzähler, was völlig fehlt sind Pathos oder Sentimentalität. Es geht um die Essenz der Geschichten.

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Anne Serre: Die Gouvernanten

Dieser flirrende, märchenhafte Roman erzählt von der glücklichen Selbstvergessenheit der Jugend und von weiblicher Lust. Die jungen Gouvernanten scheren sich wenig um die Jungen, die sie beaufsichtigen sollen, lieber planen sie Bälle, tanzen nackt in der Sonne, locken einen Fremden ins Dickicht, wo sie ihn "nach allen Regeln der Kunst" verschlingen. Doch die offenherzige wie geheimnisvolle Geschichte erzählt auch von der Selbstgewissheit, sie ist der Zwilling der Selbstvergessenheit. Das Ende der sinnlich wie komischen Gouvernanten-Geschichte ist eine unerwartete Verwandlung, ein echter Coup.

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Anne Weber: Luft und Liebe

Anne Weber erzählt eine luftig leichte, ironisch gebrochene Liebesgeschichte, in der eine Schriftstellerin einen Märchenprinzen findet. Ein Kind wäre die Krönung dieser Liebe, doch mit Anfang vierzig tickt die biologische Uhr hörbar. Aber es gibt ja die Hilfen der Medizin, vielleicht geschieht das Wunder? Es geschehen ganz  wunder-liche Dinge, am Ende platzt nicht die Fruchtblase, sondern eine andere. Anne Weber stellt ihrer Ich-Erzählerin eine Doppelgängerin zur Seite, so entspinnt sich ein manchmal absurder Dialog, der aber die ganz ernsthafte Frage zum Verhältnis von Leben und Schreiben stellt. Das feine Zerlegen des Märchenprinzessinnentraums ist eine vergnügliche Befreiung, eine, die die "tote Prinzessin" zum Leben erweckt.

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Sara Mesa: Eine Liebe

Eine klassische Liebesgeschichte ist dieser Roman beileibe nicht. Er ist die Erzählung einer Flucht aufs Land, die keine Befreiung bringt, sondern die Protagonistin Nat in eine Obsession stürzt. Er erzählt von Schuld und Sühne, von Vergebung und Strafe, von den Erwartungen der Gesellschaft und dem Tauschhandel als "grundlegende soziale Interaktion". Sara Mesa leuchtet die Verstrickungen, in die Nat gerät aus, ohne in ein Schwarz-Weiß Denken zu verfallen. Immer wieder geht es um Geben und Nehmen in diesem gewaltigen Roman, der durch Präzision glänzt und ganz unerwartet endet.

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Francoise Sagan:

Blaue Flecken auf der Seele

Dieser Roman erzählt die Geschichte des Geschwisterpaares Eléonore und Sébastien Van Milhem, das Anfang der 1970er Jahre nach Paris kommt. Arbeiten ist beiden fremd und zuwider, bislang haben sie immer einen Gönner gefunden, der oder die sie ausgehalten hat. So aus dieses Mal. In diese Welt der Nachtclubs, Leiden-schaften, Enttäuschungen und der ewigen Suche nach Freiheit und gleichzeitiger Angst vor Einsamkeit, hat die "Skribentin" einen separaten Strang eigener Reflexionen gewebt. Hier macht sich die Autorin Gedanken über buchstäblich Gott und die Welt - bis sie diese beiden Welten miteinander vermischt. So entsteht ein weiträumiges Tableau über das Denken Sagans, es entsteht ein flirrender Text, der Realität und Fiktion auf äußerst interessante, spannende und unterhaltende Weise zueinander in Beziehung setzt.

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Ana Schnabl: Meisterwerk

Ana Schnabls Mitte der 1980er Jahre in Slowenien spielender Roman erzählt von der jungen Lektorin Ana und dem Schriftsteller Adam. Obwohl beide verheiratet sind und obwohl Adam in Dissidentenkreisen verkehrt, während Ana der Geheimpolizei Informationen liefert, entwickelt sich eine Liebes-geschichte, die beide an ihre Grenzen bringt. Psychologisch scharf gezeichnet, in das Zeitgesche-hen eingebettet und durchzogen von Reflexionen über Schicksal, Liebe, Verrat, Schuld und vielem mehr, ist Ana Schnabls Buch ein intensives, inhaltlich und literarisch erstaunlich reifes Romandebüt der 1985 geborenen Autorin.

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Marie Malcovati:

Als hätte jemals ein Vogel verlangt, dass man ihm ein Haus baut

Tahvo Fährmann, Fotograf, Aussteiger, Finne, lebt seit einigen Jahren in einem süddeutschen Dorf. Plötzlich ist er verschwunden. Drei Frauen, die nichts verbindet als Tahvo, machen sich auf die Suche nach ihm. In der Reise an

den Polarkreis kulminiert der Roman, der durch ständigen Wechsel der Perspektiven, der Zeitebenen und Orte die Charaktere der Figuren, ihr Ringen um Verständnis, ihre Suche nach der eigenen Geschichte und einem Weg in die Zukunft sehr spannend und vielfältig ausbreitet. Erzählerisch verbunden durch Vögel, die in diesem Roman nicht nur für Freiheit stehen.

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Natalia Ginzburg: Die Stimmen des Abends

Auf engstem Raum, in kurzen Sätzen und scheinbar einfacher Sprache erzählt die Meisterin des Understatements von Elsa - diese lässt sie in der Ich-Form aus ihrem Leben berichten - und einem Dorf und seinen Bewohnern von den 1930er Jahren bis in die 50er hinein.  Der diskreten Elsa steht die ewig plaudernde Mutter gegenüber, diese Stimme des Alltags, die die Erwartungen der Gesellschaft repräsentiert. In leisen Tönen, mit feiner Ironie, präzise und empathisch erzählt Natalia Ginzburg eine Liebes- und Familiengeschichte, in der sie ein Bild des Mensch-Seins in der Welt herausdestilliert.

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Sigrid Undset: Kristin Lavranstocher

In diesem ersten Band einer Trilogie porträtiert die Nobelpreisträgerin Sigrid Undset (1882-1949) sowohl ihre Heldin Kristin, als auch das Land, die Menschen und die Gesellschaft Norwegens im

14. Jahrhundert. Geprägt von ihren rechtschaffenen und gläubigen Eltern stürzt Kristin in tiefste Konflikte, als sie sich, obwohl bereits dem Bauern Simon versprochen, in den etwas zwielichtigen Ritter Erlend verliebt. Sie entwickelt sich vom folgsamen Mädchen zur starken Frau, ihr Wille nach Selbstbestimmung ist noch größer als die Furcht, sich ewige Schuld aufzuladen.

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Julia Strachey:

Heiteres Wetter zur Hochzeit

Es ist ein kalter und windiger Tag im März, die dreiundzwanzigjährige Dolly soll heiraten. Ob sie das wirklich tun soll? Während die völlig verschrobene Familie im Landhaus zusammen-kommt, versucht Dolly diese Frage mit Hilfe einer Flasche Rum in ihrem Ankleidezimmer zu beantworten.

Das tragikomische Gesellschaftsporträt lebt von seinen Personenbeschreibungen, deren Handlungen und Redeweisen, die allesamt hinreißend sind. Sehr englisch, geistreich und charmant.

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Romain Gary:

Du hast das Leben vor dir

Ein zehnjähriger arabischer Junge und eine alte jüdische Ex-Prostituierte im Pariser Armenviertel Belleville - diese Hauptfiguren sorgten 1975 bei Erscheinen des Romans für einen Skandal. Er handelt von Menschen, die eigentlich keine Chance haben, aber die Hoffnung und den Mut nicht verlieren. Der große Roman erzählt stilistisch einzigartig aus der Perspektive Mohammeds mit Chuzpe und Tiefsinn von Solidarität, Freundschaft, Achtung, Liebe und Sehnsucht - und von deren Abwesenheit.

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Alexandra von Arx:

Im Buchstabenmeer

Natascha, die Hauptfigur des

in Zürich und Armenien spielenden Romans, ist Juristin, arbeitet jedoch als Übersetzerin und Reiseleiterin. Mit Jan, einem Maler, verbindet sie eine komplizierte Beziehung, auf einer Reise begegnet sie dem Wirtschaftsanwalt Paul, den sie zunehmend anziehend findet. Die beiden Männer repräsentieren unterschiedliche Lebensentwürfe, die auch die äußersten Punkte abstecken, zwischen denen Natascha schwankt. In ruhigem Ton erzählt von Arx von Nataschas Weg zu sich selbst. Sie nimmt die LeserInnen ein, für ihre Heldin und für das schöne Land im Kaukasus.

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Marco Missiroli: Treue

In Margheritas und Carlos Ehe bohrt sich ein Stachel: stimmt die Erklärung Carlos, er hätte seiner Studentin Sofia nur geholfen, weil ihr schlecht wurde, oder war da mehr auf der Universitäts-toilette? Diese Begebenheit ist Ausgangspunkt der Frage: Was ist Treue? Wo beginnt Untreue, auch sich selbst gegenüber? In den beiden

Haupt- und diversen Nebenfiguren buchstabiert Missiroli den großen Reigen aus Sehnsüchten, Ängsten, Obsessionen und Hoffnungen aus, sehr fein und sinnlich. Das Ende des Romans ist unerwartet schlicht, in einem schönen Sinn.

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 Victor Margueritte: La Garçonne

Monique Lerbier stürzt sich nach dem Bruch mit ihren Eltern - sie sollte gewinnbringend verheiratet werden - in das Pariser Leben der 1920er.

Sie macht sich selbständig, verdient viel Geld, tanzt und feiert, hat Liebhaber und verfällt schließlich dem Opium. All das bunte Leben um sie herum kann nicht die innere Leere einer intelligenten Frau ausfüllen, die nach einer echten Aufgabe sucht. Der nicht nur psychologisch tiefblickende, sondern auch politisch dezidierte Roman des Pazifisten und Verfechters der Gerechtigkeit Victor Margueritte (1866-1942) zeichnet das Bild einer suchenden Frau in einer zerrissenen Zeit - auf das Ende hin spitzt sich die Geschichte dramatisch zu ...

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Michelle Winters: Ich bin ein Laster

Eine Woche vor dem zwanzigsten Hochzeitstag verschwindet Réjean spurlos. Agathe hat nicht die geringste Ahnung weshalb. In sich abwech-selnden Blicken auf das "Jetzt" und das "Davor" entwickelt Michelle Winters eine rasante Kriminal- und Liebesgeschichte, die tief in die kanadische Provinz und tief in die Herzen ihrer Protagonisten führt. Neben Agathe und Réjean gibt es  einige superschräge weitere Figuren, der Roman nimmt überraschende Wendungen und steuert auf ein dramatisches Ende zu. Dieses schleudert Agathe in ein neues Leben - vermutlich, aber so ganz gewiss kann man hier nie sein, zu gekonnt spielt die Autorin mit Klischees und Erwartungen.

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Anke Gebert: Wo du nicht bist

Das "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes" vom 15. September 1935 verhinderte die Hochzeit der Christin Irma mit dem Juden Erich, die einen Tag später hätte stattfinden sollen. Irma beweist großen Mut, indem sie sich nicht von Erich trennt, auch wenn er sich dafür ausspricht, um sie zu schützen. Nach dem Krieg erfährt Irma, dass der Mann, mit dem sie im Herzen längst verheiratet war, nicht zurückkommen wird. Sie beginnt einen Kampf mit den Behörden, um trotzdem als seine rechtmäßige Ehefrau anerkannt zu werden. Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit. Er erzählt über die Liebesgeschichte hinaus ein Stück deutscher Geschichte, gut fassbar, da sie an zwei lebendig geschilderten Menschen festgemacht wird. 

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Helen Wolff: Hintergrund für Liebe

Ein Roman, der sich liest wie eine frische, leichte Sommerliebesgeschichte, erzählt von den Anfängen des legendären Verlegerehepaares Helen und Kurt Wolff. Der vierzigjährige Gesellschaftslöwe und die junge Frau reisen nach Südfrankreich - es ist auch eine Flucht aus den politischen Verhältnissen in Deutschland zu Beginn der 1930er Jahre. Der erfahrene Mann meint, seiner Geliebten das Leben zeigen zu müssen, doch bald trennt sie sich von ihm - als er zurückkommt wird schnell klar, dass sie in vieler Hinsicht die klügere, reifere ist. Sie schenkt ihm den "Hintergrund für Liebe". Ein fast hundert Seiten umfassender Essay Marion Detjens, der Großnichte Helens, beleuchtet die privaten, gesellschaftlichen und politischen Hintergründe des Romans - mit all diesen wertvollen Informationen lassen sich die tieferen Schichten des Romans erfassen, der eben nur vordergründig eine Sommerliebesgeschichte ist.

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Lu Bonauer: Die Liebenden bei den Dünen

Silas und Romy, seit Jahrzehnten ein Ehepaar, haben beschlossen, gemeinsam ihr Leben zu beenden. Es ist keine Idee des Alters oder der Krankheit, schon immer waren sie davon überzeugt, wie Romeo und Julia keinen Tag ohne den anderen leben zu wollen. Nun, als bei Romy Alzheimer diagnostiziert wurde, ist es soweit. Sie trinken jeder ein Glas mit einem tödlichen Mittel - wenige Stunden später wacht Silas neben seiner toten Frau auf.

Was ist passiert? Lu Bonauer erzählt eine Liebesgeschichte, er stellt mit Silas die Frage nach Verrat und Freiheit, er beleuchtet konzentriert auf zwei Menschen und ohne Überfrachtung der feinen Novelle mit gesellschaftlichen Diskussionen, die Würde des Lebens und Sterbens.

Er schreibt beeindruckend klar, mit viel Empathie für seine Figuren und ohne moralischen Zeigefinger. Sehr lesenswert.

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Alexander Häusser: Noch alle Zeit

Edvard lebt mit über sechzig noch bei der Mutter - er wollte immer der gute Sohn sein, er meinte, den Vater ersetzen zu müssen, der die Familie am Tag nach dem zehnten Geburtstag Edvards verließ.

Nach ihrem Tod findet er ein Sparbuch mit einem Vermögen, er wusste nichts davon. Die Suche nach der Herkunft des Geldes ist eine späte Suche nach dem Vater - sie führt ihn nach Norwegen. Auf der Fähre trifft Edvard die junge Journalistin Alva, die ihre kleine Tochter bei ihrer Mutter zurückgelassen hat, um für ein Projekt zu recherchieren. Die beiden setzen ihre Reise gemeinsam fort, der Roman wird zum Roadmovie, in dem Alexander Häusser die vielschichtige Beziehung zwischen Eltern und Kindern beleuchtet.

Er spürt den Schatten nach, erkundet, wie eine Lüge einen Menschen prägen kann. Ohne Hast und ohne Bewertung, mit Feingefühl und dramaturgischem Geschick entwirrt er das Geflecht, das sich Leben nennt. Sehr lesenswert.

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Tine Hoeg: Neue Reisende

Bei der Zugfahrt an ihrem ersten Arbeitstag als Lehrerin lernt die Ich-Erzählerin einen (verheirateten) Mann kennen. Sofort besteht eine ungeheure Anziehungskraft, die beiden treffen sich nun regelmäßig heimlich. Neben dieser verrückten und auch aussichtslosen Liebe muss sich die junge Frau in ihrem Beruf zurechtfinden, was ihr nicht auf Anhieb gelingt. Tine Hoeg beschreibt mit sparsamen Worten, mit viel Raum zum Nachdenken, mit Empathie und Situationskomik diesen (Irr)Weg, das Schlingern, Suchen und Ausprobieren - ihr gelingt ein beeindruckender Roman, der neue Wege des Erzählens geht.

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Kathy Page: All unsere Jahre

Siebzig Jahre sind Harry und Evelyne verheiratet, Kathy Page erzählt diese lange Zeit konzentriert auf wichtige Ereignisse, in denen sich Wesentliches herauskristallisiert. Eingebettet in den Alltag, der aus drei Töchtern, anstrengenden Eltern, der Arbeit und dem Bau eines großen Hauses, aber auch der späteren Freiheit zum Reisen besteht, widmet sich die Autorin dem Besonderen - um damit erhellende Schlaglichter zu werfen. Sie kreiert einen interessanten und spannenden Roman, unterlegt mit diversen Romanen und Gedichten der Weltliteratur, die immer das momentane Geschehen spiegeln. Da neben all dem Erzählten auch Unausgesprochenes und Schwebendes verbleibt, die die Phantasie des Lesers fordern, ist der Roman von einer großen Liebe sehr kurzweilig und anregend.

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Franz Hessel: Heimliches Berlin

Die unterschiedlichsten Charaktere tanzen einen Reigen miteinander in diesem poetischen Berlin-Roman von 1927. Der gelehrte Philologe Clemens, seine sehnsüchtige Frau Karola, der verarmte Adelige Wendelin - diese drei Personen bilden den Mittelpunkt.

Um sie herum bewegen sich diverse Figuren, allesamt konturiert gezeichnet, mit wenigen Worten charakterisiert - alle sind auf der Suche nach dem Glück und der Liebe. Hessels Roman zeichnet sich durch eine schwebende Leichtigkeit aus, durch eine sehr ausbalancierte Sprache - das "Gewicht der Worte" ist für ihn kein "Schall", Worte sind ein "Zauber" - sein Roman ist ein ungewöhnliches und zauberhaftes Stück, in das man sich verlieben kann.

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Daniela Krien:

Die Liebe im Ernstfall

Fünf Frauen, fünf Mal die Suche nach einem selbstbestimmten Leben, in dem auch die Liebe ihren Platz hat.

Jede der Frauen sucht auf ihre Weise, Daniela Krien erzählt mit Tiefenschärfe und Weitblick von diesen Schicksalen, die sie miteinander verzahnt.

Sie erzählt von Stärke, Mut, Vielfalt, von der Liebe und der Freiheit und manchmal vom Glück.

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Dagny Juel: Flügel in Flammen

Ein Gesamtwerk von 90 Seiten, geschrieben von einer jungen Frau am Ende des 19. Jahrhunderts, nun erstmals auf Deutsch publiziert - ist das heute noch lesenswert? Das ist es, denn Dagny Juel entwirft Frauen, die weder gut noch gütig sind, die sich weigern,

in die vorgegebenen Muster zu passen,

die genauso von Leidenschaften

gequält werden wie Männer, die keine Moral kennen, die

sich schuldig machen und die Schuld auch annehmen - sie zeichnet Frauen, die Menschen sind, keine Ideale.

Ihre Kurzprosa, Lyrik und Dramen atmen die Atmosphäre ihrer Entstehungszeit, sie stellen die inneren Konflikte ihrer Figuren dar, sie sind, wie Juels Leben, von Widersprüchen und Ambivalenzen geprägt. Sie sind Kinder ihrer Zeit und zugleich zeitlos wie antike Tragödien.

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Marguerite Duras: Der Liebhaber

Die Liebesbeziehung einer in Französisch-Indochina lebenden fünfzehnjährigen Französin zu einem deutlich älteren Chinesen steht im Mittelpunkt dieses in den 1930er Jahren spielenden Romans.  Doch diese Liebe

ist nur ein Thema des Buches, das neben der Familie des Mädchens, dem Zeitgeschehen bis ins Nachkriegs-Paris hinein auch den Alltagsrassismus in den Kolonien beschreibt. Ein schmales Buch mit einer Fülle an Gedanken, in Miniaturen gefasst, die es zu wesentlich mehr als einer Liebesgeschichte machen.

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Colette: Mitsou

Ein kleiner, bezaubernder Roman,

der auf kaum hundert Seiten eine Liebesgeschichte aus dem Paris des Kriegsjahres 1917 erzählt. Dialoge aus der Theatergarderobe, innere Monologe, die Stimme des Erzählers und vor allem wunderbare Briefe, einzigartig in ihrer Leichtigkeit, Ironie, Verspieltheit, Zeigen-und-Verbergen und gleichzeitiger Tiefe, machen aus ihm einen Roman,

der die Herzensbildung und die Würde einer einfachen Mademoiselle in Szene setzt. Himmelblau und melancholisch - so lässt sich die Geschichte am besten charakterisieren.

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James Baldwin: Beale Street Blues

"Der wird noch versuchen, mich dranzukriegen" - so Fonny, nach dem Zusammenstoß mit einem weißen Officer. Er sollte recht behalten: der Zweiundzwanzigjährige wird wegen einer Vergewaltigung, die er nicht begangen hat, verhaftet. Von jenem Mann, der die weiße Justiz in Person ist - ein rassistischer Officer, der sich in seiner Ehre verletzt gefühlt hatte. Und der am längeren Hebel sitzt, salopp gesagt. Vor allem Fonnys Freundin Tish, 19, versucht zusammen mit ihrer Familie alles Erdenkliche, um Fonny aus dem Gefängnis zu holen, denn Tish ist schwanger. Diese junge Frau erzählt in sich verschränkenden Handlungssträngen aus Vergangenheit und Gegenwart die Geschichte einiger Individuen, genauso aber die des Landes und der Afroamerikaner. Vielschichtig und präzise, im Ton direkt, jung, weltlich, entsteht so ein Bild von Leid und Hoffnung, Ungerechtigkeit und Liebe.

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Simone Regina Adams: Flugfedern

Thibaut und Sophie lernen sich auf eine schreckliche Art kennen: er kommt dazu, als sie vergewaltigt wird. Er kann den Mann vertreiben, nimmt sie mit zu sich nach Hause, auf den Hof seiner Großmutter Mémé. Gerne würde Thibaut ein Nest für Sophie bauen, doch Sophie verschwindet immer wieder,

die Beziehung ist von Trennungen und Wiederannäherungen geprägt. Bis es zum vollständigen Bruch kommt. Viele Jahre später erhält er einen Brief von ihr: ob sie sich nicht in Prag, wo sie eine Aufführung hat, treffen wollten? Thibaut ist mittlerweile verheiratet und Vater einer Tochter, doch nur durch eine letzte Begegnung kann sich der Kreis schließen...  Sehr feinfühlig zeichnet Adams die verschlungenen Wege auf, die aus der Rückschau betrachtet ein Bild des Lebens ergeben. 

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Josepha Mendels: Du wusstest es doch

Um der Besetzung durch die Nazis zu entgehen, flieht der Dichter Frans Winter 1943 aus den Niederlanden nach London. Er lässt seine Frau und zwei kleine Kinder zurück - und nimmt sich vor, jegliche Erinnerung in einen geheimen Winkel seines Herzens zu schließen. In London trifft er Henrietje Bas, ebenfalls Holländerin und Jüdin.

Die beiden leben eine exzentrische Liebe, von Anfang an um deren Ende wissend, denn sobald der Krieg vorbei ist,

wird Frans zurückkehren in sein altes Leben.

Josepha Mendels gelingt es, einen Roman, der in finsteren Zeiten spielt, vollkommen frei von Bitterkeit und Pathos zu schreiben. Die Geschichte ist komisch und tragisch, frisch, unkonventionell und ehrlich und setzt allen unabhängigen Frauen ein Denkmal. Und sie ist in einem in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Ton verfasst.

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Colette: Die Katze

Die Katze Saha ist ein vollkommenes Geschöpf. Jedenfalls in den Augen Alains, weniger in denen seiner frisch angetrauten Ehefrau Camille. Das junge Pariser Paar lebt in einer psychologisch raffiniert erzählten Dreiecksgeschichte mit dieser Katze, die Dichterin Colette reflektiert in ihr die Unzulänglichkeit des Menschen.

Sie erzählt von der Rivalität zwischen Mann und Frau, von der Unvollkommenheit des Menschen, seiner Eitelkeit und Eifersucht. Das, was man heute Beziehungsangst nennen würde, porträtiert Colette in ihrem erfolgreichen Roman aus dem Jahr 1933 auf eine sehr ungewöhnliche Art - und schafft dabei eine unsterbliche, Literatur gewordene Katze. 

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Die Schöne und das Biest

Das berühmte Märchen von der gutherzigen jüngsten Tochter, die sich in die Freundlichkeit, den Humor, das Wissen und die Erzähl-kunst eines Ungeheuers verliebt und dieses mit ihrer Liebe und einem Kuss in einen "hübschen Prinzen" verwandelt, wird in dieser Ausgabe des Bohem Verlags wunderbar dargestellt. Die feinen, ausdrucksstarken Illustrationen im surrealistischen Stil betonen zugleich die Stärke und die Fragilität der Liebe, sie spiegeln und veran-schaulichen mit ihrer Farbgebung und den alten Symbolen den Geist des Märchens. Ein erlesenes Gesamtkunstwerk für alle Menschen ab fünf Jahren.

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Ernst Halter: Mermaid

Elias und Stella begegnen sich bei

einem geschäftlichen Termin.

Und stürzen sich in eine Amour fou,

in eine Liebe, die keine sozialen Bindungen, keine Grenzen kennt, die eine Religion ist. Eine Liebe, die die Liebenden verschlingt.

Ernst Halter erzählt ihre Geschichte aus verschiedenen Perspektiven,mit vielen Querverbindungen innerhalb des Romans, vor allem aber in einer neuen Sprache der Liebe, die das heilige Geheimnis zugleich hüten und aus-sprechen will. Geistreich und gefühlvoll, Nähe und Distanz austarierend, erzählt Halter von der Dualität und dem "naufragio", dem Schiffbruch und Scheitern. 

Und auch von der Möglichkeit des Verzeihens. 

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Lewis Grassic Gibbon:

Lied vom Abendrot

Dieser großartige Roman spielt zwischen 1912 und 1919 und erzählt das Leben der Chris Guthrie bis zu ihrem fünfund-zwanzigsten Jahr. Mit dem Ersten Weltkrieg verändert sich auch das kleine Dorf Kinraddie im Nordosten Schottlands, der Heimat von Chris. In einer ganz eigenen Sprache, deren Tonfall und Rhythmus den Text tragen und die kongenial ins Deutsche übersetzt wurde, berichtet er von den zwei Chris´: der einen, die lernen und selbst Lehrerin werden möchte, und der anderen, die sehr am Land und dem Leben auf dem Bauernhof hängt. Der Roman erzählt von Chris und der Gesellschaft, in der sie lebt und davon, wie sich diese wandelt und eine Epoche unwiederbringlich zu Ende geht.

Dieses "Lieblingsbuch der Schotten" ist ein in jeder Hinsicht unkonventioneller Roman, der lokal verankert, aber kein bisschen provinziell ist.

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Dana Grigorcea: Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen

Die Ballerina Anna und der Gärtner Gürkan - hier treffen sich mehr als zwei Welten. Beide sind verheiratet, sie ist erfahren mit Liebhabern, er möchte ohne Sünde leben. Sie ist Teil des Züricher Establishments, er verleiht den Dingen Wahrhaftigkeit und gibt ihnen den "angedachten Platz".

In dieser sommerleichten Novelle, die stets von einem Hauch Melancholie durchweht wird, feiert Grigorcea die Liebe,

das Leben, die Kunst, ihre Wahlheimat Zürich und sucht nach einer Balance zwischen der Schwerelosigkeit einer Tänzerin und der Bodenhaftung und Tiefe eines Gärtners. Die Rollen von Anna und Gurow aus Tschechows Novelle

hat sie vertauscht, ihre Faszination hat sie fortgeschrieben.

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Friedrich de la Motte Fouqué: Undine

Die Liebe schenkt der Wasserfee Undine eine Seele, und mit ihr Freud und Leid.

Ihr Eintritt in die Welt der Menschen ist gezeichnet von dem großen Glück durch die Hochzeit mit dem Ritter Huldbrand, doch Undine muss erfahren, dass seine Liebe nicht unendlich ist - letzten Endes bleibt sie ihm fremd. Das tragische Ende der märchenhaften Liebesgeschichte lässt sich schon am Anfang erahnen,

denn der wackere Ritter mag sich mit Schwert und Lanze auskennen, den unzähmbaren Kräften der Natur ist er nicht gewachsen. Illustriert wurde diese Ausgabe von Renate Wacker mit kraftvollen Bildern in Schwarz und Weiß, unterlegt oder umspült von blaugrüner Aquarellfarbe.

Die Bilder fangen die Geschichte ein und geben ihr ein ausdrucksstarkes Antlitz.

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Henry James: Lady Barbarina

Der sehr vermögende Jackson Lemon,

ein amerikanischer Arzt, verliebt sich in

die schöne, aus altem englischem Adel stammende Lady Barbarina. Schon vor der Eheschließung tut sich manches Hindernis auf, das den verschiedenen Traditionen der Alten und Neuen Welt geschuldet ist.

Der Umzug nach New York stürzt die junge Ehe bald in eine Krise, denn Lady Barb fehlt einfach alles, was ihr Leben ausmachte. Im Gegensatz dazu greift ihre Schwester Agatha, die sie begleitet, sämtliche Möglichkeiten am Schopf und stürzt sich kopfüber ins freie Leben.

James beschreibt das Aufeinandertreffen der Kulturen sehr feinsinnig, ohne sich auf eine Seite zu schlagen und mit viel freundlicher Ironie und Sympathie für seine Geschöpfe.

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Hanns-Josef Ortheil: Faustinas Küsse

Als "Filippo Miller, Maler" trägt

Goethe sich in die Liste der Behörden ein, als er 1786 die Stadt Rom betritt.

Er will unerkannt bleiben. Doch der junge Giovanni Beri heftet sich an

seine Fersen, er ist ein Spion im Dienste Seiner Heiligkeit. Er wird zu Goethes Schatten, verfolgt ihn auf Schritt und Tritt und macht sich zur Aufgabe, diesem grüblerischen und zu viel redenden Nordmenschen römische Lebensart beizubringen. Das heißt nichts anderes, als ihn dem Leben zurückzugeben. Denn dass Goethe an einer schweren Krankheit leidet bemerkt Beri sehr schnell. Womöglich an unerwiderter Liebe? Die kann nur durch die Liebe einer echten Römerin geheilt werden. Die Geschichte entwickelt sich nicht ganz so, wie Beri es sich vorgestellt hat, aber eines ist sicher: die Wiedergeburt des Dichters findet nicht durch die Begegnung mit der Antike statt. Der Leser sieht den "Fremden" durch die Augen des jungen Mannes,

der einen unverstellten Blick hat und es liebt zu fabulieren.

Er ist ein wunderbarer Einfall des Dichters Ortheil, der ein federleichtes Buch voller Ironie und Überraschungen geschrieben hat, das bezaubert durch die Seelen-verwandtschaft zweier Menschen, die eigentlich getrennt durch Standesgrenzen nichts miteinander zu tun haben dürften. Dabei sind sie durch Literatur und Leben

aufs Engste verbunden. 

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Ralph Dutli: Die Liebenden von Mantua

Im Jahr 2005 wurde in der Nähe von Mantua ein 6000 Jahre altes Skelett,

bzw. zwei Skelette gefunden, die sich

innig umarmen. Schnell war der Name

"Die Liebenden von Mantua" geboren. Dieses Paar, das wie kein zweites die Unendlichkeit der Liebe symbolisiert,

hat Ralph Dutli zu einem Roman inspiriert, in dem sich Religion, Renaissance, Philosophie und Archäologie mit Elementen des Kriminalromans mischen.

Er hat eine facettenreiche Geschichte geschrieben, in deren Mittelpunkt die Liebe steht. Denn eine neue Religion der Liebe soll der Schriftsteller Manu erfinden, die das Bild des Gekreuzigten wegfegt. Dafür wurde er von einem dubiosen Grafen entführt. In einer überbordenden Mischung aus Realität und Traum entführt Dutli in die Welt der Renaissance, konfrontiert seine Helden und den Leser mit realen Erdbeben und solchen, die die Liebe und die Kunst auslösen können.  Ein sehr lebendiger Roman, geschrieben mit leidenschaftlicher Feder. 

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John Banville: Im Lichte der Vergangenheit

Der Schauspieler Alex, seine Filmpartnerin Dawn, Cass, Alex´Tochter, die vor zehn Jahren Selbstmord beging, sowie sein Jugendfreund Billy und dessen Mutter

Mrs. Gray, die vor fünfzig Jahren seine Geliebte war, sind die Personen, die diese Geschichte zum Leben erwecken. Sie stehen für drei Zeitebenen: die Gegenwart,

die nahe und die ferne Vergangenheit. Diese webt Banville sehr geschickt ineinander und stellt die Frage nach den Erinnerungen, die vielleicht nichts anderes als Erfindungen sind? Aus wie vielen Personen besteht ein Mensch?

Diese Fragen werden nicht theoretisch durchdekliniert, sondern in einer Geschichte, die mit vielen Puzzleteilen und Überraschungen  aufwartet, durchgespielt, sehr lebendig und sehr vielschichtig.

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J.L. Carr: Ein Monat auf dem Land

Tom Birkin begibt sich im Sommer 1920 in das nordenglische Dorf Oxgodby, um dort das mittelalterliche Wandgemälde in der Kirche zu restaurieren. Birkin hat die Hölle des Krieges in Flandern erlebt, seine Frau hat ihn verlassen - er ist auf der Suche nach einem Neuanfang. Er wird sehr warmherzig im Dorf aufgenommen und er erkennt schnell, dass das Gemälde ein Meisterwerk ist. Er findet Erfüllung in seiner Arbeit, befreundet sich mit Moon, der die gleiche Vergangenheit hat wie er selbst und Ausgrabungen um die Kirche herum ausführt, und er verliebt sich. Ein bisschen erscheint ihm sein Leben wie ein Traum, der dann auch eines Tages endet und Birkin weiterziehen lässt.

Die Geschichte ist reich an Bildern und vor allem bevölkert von individuellen Charakteren, die den ruhigen Fluss der Erzählung an keiner Stelle langatmig werden lassen.

Der Leser wird mitgenommen in dieses Dorf und Leben, er kann selbst zur Ruhe kommen, später zurückblicken und, wie Moon zu Birkin, sagen: "Ich weiß nicht, ob Sie es selbst schon bemerkt haben, aber Oxgodby hat Sie irgendwie wieder zurechtgebügelt."

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Chris Kraus: I love Dick

Die Filmemacherin Chris, verheiratet mit Sylvère, verliebt sich in dessen Kollegen Dick. Da Chris und Sylvère sich alles erzählen,

wird Sylvère zu einem Teil der Liaison, die rein fiktional ist und nur in Briefen existiert.

Dick wird vor allem für Chris zu einer Obsession, aber er ist auch eine Art leeres Blatt Papier,

auf dem Chris all ihre Gedanken niederschreiben kann.

Das Buch ist eine Brief-Tagebuch-Essay-Fiktion, die sich mit sehr vielen Themen auseinandersetzt. Mit sehr privaten und persönlichen, mit kulturellen und politischen, mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft und Kunst, mit der Liebe als Gefängnis oder Energieschub, auch hier als intime oder öffentliche Angelegenheit. Das Buch ist in jeder Hinsicht

eine massive Erweiterung des Blickwinkels, der des Lesers und der der Leserin.

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Maxence Fermine: Schnee

Diese große Geschichte in einem schmalen Büchlein beschreibt den Weg eines jungen Mannes, Yuko, der ein Meister der japanischen Dichtkunst des Haiku werden möchte. Deshalb begibt er sich bei dem Maler Soseki in die Lehre. Dem Maler?

Ja, denn Yukos Haikus fehlt die Farbigkeit, was zuerst absurd erscheint, da Yuko ausschließlich den Schnee besingt. Yuko lernt Sosekis Vergangenheit kennen. Er lernt das Wesen der Dichtung kennen und erfährt, dass die höchste Kunst die Liebe ist. Eine sehr konzentrierte Geschichte, nachgebildet dem Haiku, das aus lediglich siebzehn Silben, verteilt auf drei Zeilen, besteht. Das stets einen konkreten Bezug zur Gegenwart hat, nie alles sagt und sich erst beim Lesen vervollständigt.

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Viktorija Tokarjewa: Auch Miststücke               können einem leidtun

Neun Erzählungen über das Rätsel Mensch und die Seltsamkeiten der Liebe - Tokarjewas Protagonisten sind Figuren,

die sich nicht immer korrekt verhalten.  

Sie sind Menschen, die lügen, sich nicht entscheiden können, sich aus der Verantwortung schleichen, aber auch solche, die nicht aufgeben, die verzeihen können, die zeigen, dass Wahrheit und Gerechtigkeit Begriffe sind, die nicht eindeutig mit der Komplexität des Lebens vereinbar sind. Es geht der Schriftstellerin nicht darum, einen Schuldigen auszumachen, sondern um menschliche Gesten des Verständnisses.

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Margriet de Moor: Der Virtuose

Ein Roman über die beiden großen Rätsel Liebe und Musik, angesiedelt im Neapel des 18. Jahrhunderts. Der Star des neuen Opernhauses San Carlo ist Gasparo, ein Kastrat. Mit seiner verstörend schönen Stimme bezaubert er sein Publikum, das ihm hemmungslos ergeben ist. Carlotta, verheirat und Mutter, aus dem selben Dorf stammend wie Gasparo, hat mit ihrem Mann die Vereinbarung getroffen, dass sie eine Opernsaison in Neapel zubringen darf, dann kehrt sie in das Landhaus der Familie zurück. Carlotta und Gasparo erleben eine rauschende Liebesgeschichte, eingebettet in den Mythos der Musik. De Moors freimütiger Roman über Schönheit, Genuss und Raffinement feiert das Leben, wissend, dass das Glück vergänglich ist wie ein Lied.

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Antal Szerb: Reise im Mondlicht 

Mihály "verliert" seine Frau Erzsi auf der Hochzeitsreise - er steigt in den falschen Zug. Er deutet dieses Versehen als Wink des Schicksals und setzt die Reise durch Italien alleine fort. Schließlich kommt er in Rom an, wo er vollends in Nostalgie verfällt und in den Erinnerungen an seine Jugend und Jugendfreunde in Budapest lebt. Eine Begegnung mit der von ihm seit vielen Jahren angebeteten Éva soll ihn erlösen, doch sein Leben nimmt eine ganz andere Wendung.

Der Roman mit seiner eleganten und melodiösen Sprache erzählt von vielen Liebenden, Menschen, die die Liebe, die Sehnsucht, den Tod, das Geld, die Wissenschaft oder die Vergangenheit lieben. Deren Wege sich zufällig oder auf magische Art kreuzen und die alle auf der Suche nach dem ihnen Gemäßen sind. Allen voran der sympathische Mihály, der so lange versucht hat, dem bürgerlichen Leben zu entfliehen.

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Lilian Faschinger: Magdalena Sünderin

Die schöne Magdalena entführt einen Priester aus dem Pfingstgottesdienst heraus. Im tiefen Wald fesselt sie ihn an einen Baum und zwingt ihn, ihr zuzuhören. Sie legt eine lange Beichte ab und berichtet von den sieben Liebhabern, die sie ermordet hat. Doch im Lauf der Beichte wird aus der Sünderin (fast) eine Erlöserin, der Pfarrer erlebt Unerhörtes und der Leser kommt in den Genuss einer hintersinnigen Scheherazade, deren Dreh- und Angelpunkt die Leidenschaft ist.

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Nadine Gordimer:

Ein Mann von der Straße

Abdu, ein illegal in Johannesburg lebender Araber und Julie, eine Tochter aus bestem Haus, verlieben sich ineinander und werden ein Paar. Als er ausgewiesen wird, tut sie das Undenkbare: sie begleitet Abdu in sein Heimatland. Dort ist er wieder Ibrahim, eingebunden in eine Großfamilie und er will nur eines: so schnell wie möglich wieder weg.

Sein großer Traum ist Amerika. Julie hingegen lebt sich unerwartet gut ein, sie scheint in dem muslimischen, rückständigen Land einen Platz gefunden zu haben.  

Der Roman ist eine sehr subtil erzählte Liebesgeschichte, eingebettet in kulturelle und politische Zusammenhänge,

die ihm eine sehr große Dimension geben und die Fragen nach Herkunft, Prägung, Wahlfreiheit und Möglichkeiten gegenseitigen Verständnisses stellen.

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Jocelyne Saucier: Ein Leben mehr

Eine Fotografin fährt in die kanadische Wildnis, um drei alte Männer aufzusuchen, die ihr etwas von den Großen Bränden des Jahres 1916 erzählen können. Siebzig Jahre nach diesem Ereignis. Mit ihrer Ankunft verändert sich das Leben der Männer, völlig anders wird es, nachdem auch noch Marie-Desneige, eine Dame von zweiundachtzig, zu ihnen stößt. Die Frauen bleiben einfach und enträtseln gemeinsam die Vergangenheit. Mit ihnen kommt nicht nur Veränderung in die Einsamkeit, sondern auch die Liebe - beide haben keine Altersgrenze.

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David Garnett: Dame zu Fuchs

Mrs. Silvia Tebrick verwandelt sich kurz nach der Hochzeit mit Richard im Jahr 1880 in eine Fähe. !!! Er versucht, sie zu verstecken, zu beschützen, zu erziehen, doch nicht einmal mit der Hilfe von Silvias ehemaliger strenger Gouvernante gelingt es ihm, wieder Kontrolle über seine  Frau zu bekommen. Sie flieht aus dem Garten in die freie Natur, bezahlt aber schließlich mit dem Leben für ihren Freiheitsdrang. Die Geschichte erhebt überhaupt keinen moralischen Zeigefinger, im Gegenteil, sie ist ein Plädoyer für die Freiheit, die David Garnett selbst auch lebte und verteidigte. Geschrieben in einem sehr charmanten, federleichten Stil - eine große Verführung.

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Mercè Rodoreda:

Der Garten über dem Meer

Ein junges Ehepaar kauft eine Villa vor Barcelona, um dort die Sommermonate

zu verbringen. Anfangs sind die Feste fröhlich und verspielt, die Gäste zahlreich, doch im Lauf der Jahre schwindet die Leichtigkeit dahin, die Freude am Leben welkt wie die Blumen im Garten. Die in den zwanziger oder dreißiger Jahren spielende Geschichte wird vom Gärtner erzählt, der zu einem Chronisten einer untergehenden Zeit der Bohème wird.

Er ist der Vertraute aller Beteiligten und Hüter trauriger Geheimnisse.

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Carson McCullers:

Die Ballade vom traurigen Café

Miss Amelia führt ein gut gehendes Café in einer Kleinstadt der amerikanischen Südstaaten - es ist die einzige Vergnügungsstätte weit und breit. Und der einzige Ort, an dem die Menschen ihre Hoffnung nähren, das Leben könnte doch einen Wert haben. Als nach langen Jahren Amelias Ehemann zurückkehrt, verändert sich alles. Aus einem harten Kampf geht die ehemals sehr unabhängige Frau geschlagen hervor, das Glück, das nur kurz vorbeischaute, weicht einer langen Einsamkeit. Sie scheint eine menschliche Konstante zu sein.

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Hanns-Josef Ortheil:

Das Kind, das nicht fragte

Der Ethnologe Benjamin Merz reist für eine Studie nach Sizilien. Dort führt er seine Kunst des Fragens zur Vollendung, er genießt das Vertrauen der Menschen, die ihn einen "Magier des Fragens" nennen. Dies ist um so erstaunlicher, als Benjamin, der jüngste von fünf Brüdern, als Kind und Jugendlicher fast stumm war: er traute sich nicht zu fragen, nicht zu erzählen, zu groß war die Gefahr, sich vor den Brüdern zu blamieren. Nun, mit fast vierzig, entwickelt er sich zu einem eigenständigen Menschen, dessen Leben sich fügt. Der autobiographisch gefärbte Roman erzählt die Geschichte eines Lebens, das gelingt - beruflich und auch privat, denn Benjamin findet nicht nur sich selbst, sondern auch die Liebe. 

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Carlos María Domínguez:

Das Papierhaus

 Eine Liebeserklärung an die Literatur, das Lesen und Büchersammeln, aber auch eine Warnung davor, denn diese Leidenschaft kann tödlich enden. Das passiert Bluma Lennon, die überfahren wird, weil sie ein Gedicht lesend die Straße überquert.

Ihr Kollege und Freund macht sich auf die Suche nach der Herkunft eines Buches von ihr, das Zementspuren aufweist. Diese Suche führt ihn von Cambridge nach Südamerika, wo er ein einzigartiges Haus findet, das ein Büchernarr errichten ließ und das ihn für die Schattenlinie empfänglich macht, für "eine unbekannte Dimension, die Inhalt und Medium des gedruckten Wortes in einem merkwürdigen Spiel vereint." Ein wunderbares Buch für all die Verrückten, Sammler und Leser, die ohne phantasierte und gedruckte Welten nicht leben können oder wollen.

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Marga Berck: Sommer in Lesmona
Marga, eine Tochter aus bestem Hanseatenhaus erlebt ihre erste große Liebe. Einen Sommer lang ist sie glücklich, weiß aber genau, dass diese Liebe keine (gesellschaftliche) Chance hat. Dieses Buch versammelt die Briefe aus den Jahren

1893-96, die sie an ihre Freundin schrieb.

Sie waren nie für die Veröffentlichung gedacht und geben einen unverfälschten, unverstellten Einblick in das bürgerliche Leben des ausgehenden

19. Jahrhunderts.

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Andrea Camilleri: Die Frau aus dem Meer

Poesie pur: Erde und Meer vermählen sich in Gnazio und Maruzza. Der bodenständige Landmann und die Sirene heiraten, lieben einander, leben miteinander, bekommen zwei Land-, ein Sternen- und ein Meereskind. Die Ereignisse der Zeit rollen über sie hinweg und doch leben sie auch jenseits der messbaren Zeit in einer unendlichen Gegenwart.

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Gabriel Garcia Marquez:

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Mehr als 50 Jahre muss Florentino Ariza auf Fermina Daza warten. Dann ist es, "als hätten sie den harten Leidensweg des Ehelebens übersprungen, um ohne Umwege zum Kern der Liebe vorzudringen." Und wo ist man ungestörter, als auf einem Schiff, das die Choleraflagge gehisst hat?

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Navid Kermani: Grosse Liebe

Der fünfzehnjährige "Junge" erlebt seine erste Liebe. Sie währt nur kurz, viel länger dauern Schmerz und Verzweiflung. Aber sie ist der Nukleus, der alle Liebe enthält und die der Autor dreißig Jahre später mit Hilfe orientalischer Dichter zu verstehen versucht.

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Daniela Krien:

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Maria erlebt eine jugendliche amour fou mit dem sonderbaren, wesentlich älteren Henner. Heimlich, sehr intensiv und verstörend. Ein Roman, der heraussticht, weil er so ehrlich ist, ohne jemandem zu nahe zu treten.

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