Bücher, die ein wenig abseits der Belletristik liegen

Katarína Kucbelová: Die Haube

Die Erzählerin, eine in Bratislava lebende Schriftstellerin, fährt über zwei Jahre regelmäßig in die Mittelslowakei, um dort die achtzig-jährige Il´ka zu besuchen. Il´ka beherrscht die Kunst, die traditionelle Haube herzustellen, die zur Ausstattung einer verheirateten Frau gehörte. Doch Katariná möchte nicht nur das Handwerk erlernen, sie möchte "etwas Fremdes ins eigene Leben integrieren", möchte wissen, wo sie herkommt, aus welchen Puzzleteilen ihr Leben zusammengesetzt ist, sie möchte ihre "Wurzel-losigkeit" überwinden. Dies gelingt ihr, indem sie mit Il´ka näht, stickt, ihr zuhört, mit ihr schweigt und in eine Zeit eintaucht, die der Vergangenheit angehört, aber nicht vergangen ist. Mit Il´kas Erzählungen kann sie nicht nur an Traditionen anknüpfen,  sondern ihre eigene Geschichte "zusammenstellen, neu, von Grund auf".

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Stephanie Hanel: Künstlerinnen in New York - Von Bronzegöttinnen, fabelhaften Wesen und einer etwas anderen Dinner Party

In siebzehn Essays erzählt Stephanie Hanel von der Begegnung mit Künstlerinnen, die in New York lebten, arbeiteten oder ausstellten. Die Metropole ist das verbindende Glied völlig unterschiedlicher Genres, Stile oder Epochen - verbindend ist auch die Faszination, die die Werke in ihr auslöste. Die kurzen, prägnanten Porträts, die auf das Wesentliche der Arbeiten und der Biografie eingehen, ergänzt die Autorin mit den Erlebnissen, die die Kunst ihr schenkte. Diese Verschränkung lässt die Begeisterung überschwappen und weckt die Neugier, sich weiter mit diesen Künstlerinnen zu beschäftigen. Nur so werden Frauen in der Kunst zur Selbstverständlichkeit.

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Huguette Couffignal: 

Die Küche der Armen -

Mit 300 Rezepten aus aller Welt

Kein Kochbuch im herkömmlichen Sinne mit Hochglanzfotos von raffinierten Gerichten ist diese Studie, die soziologische, historische, kulturelle und ernährungswissen-schaftliche Aspekte vereint, und dabei so interessant zu lesen ist, dass sie einem Reisebericht gleicht! Huguette Couffignal schaut in Töpfe aller Kontinente und erkennt den Mangel als Hauptmerkmal der Armenküche - an Wissen, Beobachtungsgabe und einem eleganten Stil mangelt es der Autorin nicht.

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Egon Bondy: Die ersten zehn Jahre

Einer der führenden Köpfe der tschechischen Avantgarde, Egon Bondy, 1930-2002, erinnert sich an die Jahre 1947-1957. Sie waren geprägt von Umwälzungen und Unsicherheiten, von Angst und Terror. Er entwickelte sich in dieser Zeit zum "arbeitsscheuen Individuum, kriminellen Element und Saufbold". Und er entwickelt sich zum  Schriftsteller, der sich anfangs den Surrealisten verbunden fühlte, später den Weg des `Totalen Realismus´ wählte. Der Ton dieses Buches ist schonungslos ehrlich, deftig und kantig, von einem selbstironischen und zugleich distanzierten Humor geprägt, der eine Wurzel in der Tragik hat. Aus vielen Episoden setzt sich so das Gesamtbild einer Epoche und eines außergewöhnlichen Lebens zusammen, das den Aufbruch und Ausbruch der Literatur auf faszinierende Weise darstellt.

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Alexis Pauline Gumbs: Unertrunken - Was ich als Schwarze Feministin von Meeressäugetieren lernte

In neunzehn Lektionen revolutioniert die Aktivistin, Poetin, Autorin und Meeressäugetierpraktikantin nicht weniger als das Denken und das Sein des Menschen in der Welt. Sie möchte die "Definition des Menschen revidie-ren, die so verstrickt in Abgrenzung und Herrschaft ist, dass sie unsere Leben unvereinbar mit dem Planeten macht." Was können wir von den Meeressäugern lernen? Wie kann dem den Planeten zerstörenden Kapitalismus ein Ende gesetzt werden? Doch das Buch ist keine politische Kampfschrift, es ist eine Einladung zu lernen, die Verbundenheit durch das Atmen zu erfahren, von den Unertrunkenen Überlebens-strategien abzuschauen. In allen Texten verbinden sich faktische Erkenntnisse mit tiefen Einlassungen auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten aller Lebewesen. Dabei hebt Alexis Pauline Gumbs auch die Trennung in "ich", "du" und "es" auf. Es wirbelt mächtig durcheinander, dieses genre- und auch alle sonstige Grenzen übergreifende Buch!

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Ré Soupault: Geistige Brücken -

Radio-Essays

In vierzehn glänzenden Essays  beschäftigt sich Ré Soupault (1901-1996) mit historischen und literarischen Themen. Bestens recherchiert, klar und verständlich dargestellt, werfen die ursprünglich als Radiobeiträge geschriebenen Abhandlungen ein Licht auf die Zivilisation der Kelten, historische Ereignisse in Paris, diverse Philosophen und Schriftsteller der Moderne, die Frauenbewegung. Die vielfältigen Texte sind auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: Ré Soupaults Interesse an den Menschen und ihr Wille zur Aufklärung. Ihre Haltung lautet: "Es gilt - für ihn (den Mann), für die Frau, für den Menschen - den Problemen des Lebens gegenüber, an den anderen zu denken."

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Esther Kinsky:

Gedankenspiele über die Hoffnung

Ganz umfassend, von der Etymologie, über die Verbindungen zu Zeit, Erinnerung, Glück, Handeln etc., bis hin zu Überlegungen, was es heißt, ohne Hoffnung zu leben, beleuchtet Ester Kinsky klar und verständlich einen weiträumigen Begriff. Sie erzählt Persönliches, ordnet das "Konzept der Hoffnung" historisch ein, zieht Verbindungslinien zu berühmten Gedichten oder auch zur Bedeutung des Odysseus - das schmale Büchlein ist eine Fundgrube an Ideen und Gedanken. Man wird immer wieder staunen über diese Fülle.

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Andrea Hahn: Goethe in Schwaben

Zwei Mal reiste Johann Wolfgang von Goethe durch Schwaben, 1779 als Begleiter des Herzogs Carl August von Weimar, im Jahr 1797 alleine. War die erste Reise noch von höfischem Protokoll geprägt, konnte Goethe bei seinem zweiten Aufenthalt seinen persönlichen Interessen nachgehen, diese waren unendlich. Es gibt kaum etwas, für das er sich nicht interessierte, was Andrea Hahn Gelegenheit gibt, über die verschiedensten Aspekte des ausgehenden 18. Jahrhunderts zu berichten. In dem bestens recherchierten Büchlein kommen Zeitgenossen Goethes zu Wort, sie geht auf die Kunst- und Sozialgeschichte ein, auf bedeutende Männer, die Freundschaft zu Schiller, den Wunsch, die Welt zu gestalten. Andrea Hahn zeigt den Privatier Goethe, eingebettet in den historischen Kontext - das Buch ist auch ein schöne Einführung in das Thema Goethe, seine räumliche Begrenzung zieht keine geistige nach sich.  

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Michel Pastoureau: Alle unsere Farben

Der Historiker Michel Pastoureau unternimmt in seinem glänzend geschriebenen Essay eine Reise in die schillernde Welt der Farben. Er verbindet persönliche Erinnerungen mit historischen Fakten, verfolgt Spuren durch die Jahrhunderte und arbeitet die Verbindung von individuellem Farbempfinden mit den darunterliegenden gesellschaftlichen Codes heraus. Das Buch ist weiträumig, informativ, gut lesbar und unterhaltsam, es bringt Licht ins Dunkel. Die unzähligen Aspekte verbinden sich zu einem bunten Bild der Welt, man sieht sie hernach mit anderen Augen. 

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Joachim Kalka: Schatten und Schnee

In zwei brillanten Essays beleuchtet Joachim Kalka die faszinierenden Phänomene Schatten und Schnee. Er spannt einen großen Bogen durch die Jahrhunderte, findet Spuren beider in der Literatur, der Malerei und im Film. Unzählige Beispiele veranschaulichen die Bedeutung, die Konnotationen, die Vielfalt - das Buch ist ein Ausflug in die Kunst- und Kultur-geschichte, schön ist, dass ausgetretene Pfade verlassen und frische Spuren gelegt werden.

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Manuel Chaves Nogales: Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes

In April und Mai 1933 bereist der spanische Journalist und Schriftsteller Manuel Chaves Nogales Deutschland. Er berichtet über das dort Gesehene und Erlebte in der Zeitung AHORA, deren Chefredakteur er war. Seine Reportagen sind glasklar, hellsichtig, getragen von seinem Anspruch, Informationen zu liefern, und nicht Meinungen zu verbreiten. In seinen Analysen geht er auf alle erdenklichen Aspekte des Lebens ein, sie sind ein wertvolles Zeugnis eines Zeitgenossen, dessen Weitblick immer wieder staunen lässt. Und daneben die Frage aufwirft, wie blind andere waren. Manuel Chaves Nogales vereint Journalismus mit Literatur, seine zwölf Reportagen sind in einem brillanten Stil geschrieben, allein dieser macht sie lesenswert.  

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Lucia Jay von Seldeneck (Text) & Florian Weiß (Illustration):

Berge - 35 Geschichten zwischen unten und oben

35 vielfältige Geschichten aus unterschiedlichen Perspektiven, begleitet von Sachtexten, Steckbriefen, weiterführenden Lesetipps und nicht zuletzt den wunderbaren Illustrationen, machen dieses Buch zu einer informativen und beflügelnden Reise in die Berge. Es ist nicht nur für BergsteigerInnen ein Schatzkästchen, es erzählt Natur- und Kulturgeschichte(n), Mythen und Träume und versucht die Frage, was die Berge so faszinierend macht, zu beantworten. Das handliche Format passt zudem in jeden Rucksack - hier wurde an alles gedacht.

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Audre Lorde: Ein strahlendes Licht

Sechs Essays der Ikone Schwarzer Frauenliteratur aus den Jahren 1979-1988, ergänzt durch Gespräche, die sie mit Freundinnen und Mitstreiterinnen führte, versammelt dieser Band. Herzstück ist "Ein strahlendes Licht. Leben mit Krebs", in dem Audre Lorde ihren Kampf gegen die Krankheit mit dem gegen die weltweite Unter-drückung von Schwarzen und Indigenen verknüpft.

Die Dichterin, die sich als "Schwarz, lesbisch, Feministin, Kriegerin, Dichterin, Mutter" bezeichnet, ist scharfsinnig, ehrlich, mutig, sie ruft auf zu Solidarität, zur Anerkennung von Verschiedenheit, zum Brechen des Schweigens und der Anerkennung, dass das Private und das Politische nicht zu trennen sind. Die aufrüttelnden, funkelnden und ansteckenden Texte sind heute so aktuell wie zur Zeit ihres Entstehens, sie sprechen von Schwarzen Frauen über alle Frauen dieser Welt.

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Chikamatsu Monzaemon: Trommelwellen und andere Erzählstücke

Zwischen 1703 und 1721 entstanden diese Stücke für die Puppenbühne, geschrieben von einem der maßgeb-lichen japanischen Autoren der damaligen Zeit. Er reflektiert in ihnen gesellschaftliche Zustände einer Epoche des aufstrebenden Bürgertums, aber auch die Seelenabgründe von Menschen in besonderen oder alltäglichen Situationen. Die Figuren sind vielfältig, die Handlungen vielschichtig, die Lektüre der Dramen führen Parallelen zu Entwicklungen im Westen vor Augen und machen deutlich, was der Begriff "Weltliteratur" beinhaltet. Das Buch, dem umfangreiche Erläuterungen beigegeben wurden, entführt in eine fremde Welt und hält zugleich der eigenen den Spiegel vor. Eine sehr gewinnbringende Lektüre, bestens übersetzt und konzipiert von Detlev Schauwecker.

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Manuel Chaves Nogales:

Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer

Nach Jahrzehnten völliger Vergessen-heit wurde der spanische Journalist und Romanautor fünfzig Jahre nach seinem Tod wiederentdeckt. Er war zwischen 1921 und 1936 in allen wichtigen Zeitungen präsent, auch von seinem Londoner Exil aus veröffentlichte er bis zu seinem Tod 1944 in aller Welt. Dem Diktator Franco gelang es trotz der Berühmtheit Chaves Nogales, seinen Namen zu tilgen. Heute gehört er in Spanien wieder zu den bedeutendsten Intellektuellen, nun kann er erstmals auch auf Deutsch gelesen werden. In der Reihe "Iberisches Panorama" wird sein Werk in 14 Bänden aufgelegt - eine äußerst spannende Entdeckung.

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Katerina Schiná:

Die Nadeln des Aufstands

Katerina Schiná entstaubt mit ihrem vielfältigen Buch den Blick auf eine uralte Tätigkeit, die innig, subversiv oder rebellisch sein kann. Eine, die sich in der Geschichte, der Literatur, Musik und auch der Naturwissenschaft niedergeschlagen, die Politik gemacht und grandiose Kunstwerke hervor gebracht hat. Sie macht klar, dass Stricken keinesfalls ein "antifeministischer Anachronismus" ist, sondern eine Kulturtechnik, die unabhängig machen wie verbinden kann. Katerina Schiná ist ein persönliches Sachbuch gelungen, das mag ein Widerspruch in sich sein, trifft es aber in meinen Augen ganz genau. 

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Bernd Brunner: Das Buch der Nacht

In mehr als dreißig vorzüglichen Essays entführt Bernd Brunner in die Nacht. Die der Pflanzen, Tiere, Menschen und Städte. Der Träumer und Schlaflosen, der Tänzer, Teufel, Nachtarbeiter oder Forscher. Er zitiert Dichter und Wissenschaftler, blickt aus verschie-denen Winkeln auf das Phänomen der Dunkelheit und dessen ungebrochene Faszination.

Das sehr schön gestaltete Buch ist zugleich eine Geistes- und Kulturgeschichte, es ist so vielfältig, dass man ihm gerne einige Stunden Schlaf opfert. 

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Frída Ísberg: Lederjackenwetter

Eine junge Stimme der isländischen Poesie, die hier erstmals auf Deutsch zu lesen ist. Frída Ísberg lotet in ihren Gedichten das Verhältnis eines Ich zur Welt aus. Sie spielt die Frage: wie dick muss die Haut werden, um die Welt auszuhalten, wie dünn muss sie bleiben, um die Empfindsamkeit nicht zu verlieren? in vielen Variationen durch. Sie verbindet eine scheinbar schlichte Sprache mit eigenwilligen Bildern, schafft Gedichte, die unter die Haut gehen und den Geist weiten. Eine schöne Lektüre, auch dank der gelungenen Übersetzung.

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Safiye Can: Poesie und Pandemie

Safiye Cans Gedichte reflektieren die Zeit der Corona-Pandemie, ohne diese konkret zu nennen. Denn sie ist nicht die einzige Pandemie, neben ihr existieren Rassismus,  Frauenfeindlich-keit oder die Ausbeutung der Natur -

sie alle sind tödliche Krankheiten.

Mit viel Gespür für Rhythmus und Sound, in kurzen, konkreten oder abstrakten Gedichten, sowie in einem Langgedicht geht die Dichterin der Frage nach: Was muss sich ändern?

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Dincer Gücyeter:

Mein Prinz, ich bin das Ghetto

Der neue Gedichtband Dincer Gücyeters spannt sich zwischen Deutschland und Anatolien, zwischen Heimat und Fremde, Sehnsucht und Nähe. Bildstark und wortgewaltig blickt der Dichter tief in die Risse und Spalten der menschlichen Existenz, öffnet mystische Räume, in die die Wirklichkeit hineinspielt oder bricht. Seine Stimme öffnet viele neue Räume, bei ihm `darf´ auch ein "Gott in der Gaysauna" sitzen...

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Alfonsina Storni: Chicas - Kleines für die Frau

                                      Cuca - Geschichten

Die beiden Bände der argentinischen Autorin Alfonsina Stroni, 1892-1938, versammeln Kolumnen, Erzählungen, Aphorismen, Reisenotizen und literaturkritische Artikel.

Ihr Hauptaugenmerk gilt in allen Texten der Rolle und Stellung der Frau. Ihr dezidiert feministischer Blick geht einher mit Herzenswärme, Ironie und Poesie. Sie ist ein Verführerin zum Denken und Lieben, eine versierte, präzise beobachtende Schriftstellerin, für die Raffinesse und Aufklärung keine sich ausschließenden Gegensätze sind.

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Linda Vilhjálmsdóttir:

das kleingedruckte

In klaren Gedichten, die von Frauenleben in der Vergangenheit und Gegenwart, einem poetischen Ich, das die Bühne betritt und Gehör fordert, und auch der Politik sprechen, reflektiert Linda Vilhjálmsdóttir die reale Welt. Arbeitsbedingungen, Armut, Erwartungen und menschliche Verhältnisse sind die Themen, die sie in kraftvoller Sprache offenlegt.

 

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Jonathan Drori (Texte) und

Lucille Clerc (Illustrationen):

In 80 Pflanzen um die Welt

Dieses Buch über sowohl weit verbreitete als auch sehr außergewöhn-liche Pflanzen ist ein intellektueller und ästhetischer Hochgenuss. Drori stellt die Bedeutung der von ihm ausgewählten Gewächse für die Kultur des Menschen dar, von Aspekten wie Nahrung oder Baustoff bis hin zu ihrem Platz in Religion und Medizin. Darüber hinaus erzählt er auf unterhaltsame Art Geschichten, Anekdoten und Kuriositäten, er verbindet Wissenschaft und Wunder, weckt Respekt wie Faszination. Die Illustrationen Lucille Clercs sind bezaubernd, sie unterstreichen und umschmeicheln die 80 Essays und machen aus dem Buch ein Gesamtkunstwerk, das man sehr oft in die Hand nehmen wird.

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Vicente Valero: Schachnovellen

Vier Reisen, die zu Spurensuchen der europäischen Geistesgeschichte werden, verbunden mit der Passion für das Schachspiel: Vicente Valero verknüpft Literatur, Philosophie, Malerei und Politik mit seinen ganz persönlichen Reiseerlebnissen. Auf diese Weise gelingt ihm ein profunder Blick auf Walter Benjamin, Brecht, Nietzsche, Kafka und Rilke. Und ein kluges und feines Buch über die Kunst des Reisens, eines, das den Horizont weitet!

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Michael Maar:

Die Schlange im Wolfspelz

Was ist das Geheimnis großer Literatur? Dieser Frage geht Michael Maar ausführlichst nach, DIE Antwort gibt es freilich nicht, aber viele mögliche. Er klärt Stilfragen, beleuchtet vom kleinesten Teil, dem Buchstaben, bis zum großen Ganzen anhand unzähliger Textproben aus mehreren Jahrhunderten und den daraus gezogenen Erkenntnissen, alle Gattungen der Literatur. Er beschreibt in mehr als fünfzig Porträts Produzenten und Protagonisten, deren Vorlieben und Merkmale. Er tut dies alles nicht nur unglaublich kenntnis- und lehrreich,  er schreibt witzig, überraschend, anschaulich, mitunter stilparodierend. 

Das Buch ist ein Füllhorn für passionierte und professionelle LeserInnen, es wird ein Klassiker werden!

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Leonardo Sciascia:

Ein Sizilianer von festen Prinzipien

Zwei zentrale Texte Leonardo Sciascias vereint in einem Band: "Tod des Inquisitors" und "Der Mann mit der Sturmmaske". In beiden dient die Geschichte als Echoraum der Gegenwart - hier der auf dem Scheiterhaufen verbrannte Häretiker Fra Diego La Matina aus dem 17. Jahrhundert, dort der Chilene Alarcon, der im Jahr 1973 mit einem Wink seines Gewehres entschied, wer "zu Folter und Tod bestimmt war". Der sizilianische Autor schreibt über die Inquisition als Struktur, als weiterhin präsentes System, innerhalb dessen sich auch der gesichtslose Mann mit der Maske bewegt. Es sind Texte über Gerechtigkeit, Freiheit, Würde, Respekt. Zum besseren Verständnis tragen umfangreiche Anmerkungen sowie ein Essay von Maike Albath und eine Abhandlung von Santo Piazzese bei - der feine Band ist eine "Verneigung vor Leonardo Sciascia" und eine Erinnerung daran, dass ein Tribunal nur dann eine Chance hat, wenn "es in seiner Umgebung an jedweder intellektuellen Kraft fehlt"!

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Sofia Yablonska:

Der Charme von Marokko

Eine junge Frau reist im Jahr 1929 für drei Monate alleine nach Marokko,

aus Abenteuerlust und um sich selbst im Fremden zu spiegeln. Ihr Blick ist unvoreingenommen, weit weg von der kolonialen Attitüde der Franzosen, die sie in Marokko kennenlernt. Sie ist mutig und neugierig und sie versteht es, Menschen wie Situationen fesselnd zu beschreiben. Bei aller Faszination verliert sie nicht den kritischen Blick, ihre Fragen kreisen um kulturelle Identität, Zugehörigkeit und Selbstbestimmung. Sofia Yablonskas Travelogue ist ein Reisebericht, aber auch ein Erfahrungsbericht. Ergänzt wird der Text durch ihre Fotos, die einen präzisen Blick zeigen. Ein sehr schön ediertes Buch, hier stimmt alles.

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Fragmente: Die Zeit danach

(Herausgegeben von M. Schachinger)

Zwanzig Autorinnen, zwanzig verschiedene Stimmen, die sich fragen: Wie setzen sich Fragmente einer Krise in einer Persönlichkeit fest, was bleibt, was verändert sich. Erzählungen, Essays, Gedichte und Dramolette,

die Bandbreite ist so groß wie die Gedanken tief und die literarische Qualität hoch. Eine gelungene Anthologie in fünf Sätzen (angelehnt an die Klaviersonate Nr. 3 von Brahms), für die der Lockdown im Frühjahr 2020 Anlass ist, ganz allgemein über Krisen im Leben nachzudenken.

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Tom Krausz (Fotografien), Texte von Elke Heidenreich & Urs Heinz Aerni: Aves - Vögel - Charakterköpfe

65 eindrucksvolle Vogelporträts in Schwarz-Weiß, die "Charakterköpfe" zeigen. Ergänzt werden die außer-gewöhnlichen Fotografien durch vielfältige Texte von Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni, die nicht nur auf die Besonderheiten der Tiere eingehen, sondern auch auf die Menschen, die mit ihnen zu tun haben. Die Tiere variieren von neugierig, skeptisch, zurückhaltend oder traurig, die Texte von lehrreich, nachdenklich, poetisch, bis ironisch und auch anekdotisch - und noch viel mehr. Kaum einmal kann man den flüchtigen Tieren so in aller Ruhe ins Gesicht, ins Auge schauen wie hier. Schon deshalb ist der opulente Bildband etwas ganz Besonderes. 

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Ilija Trojanow:

Gedankenspiele über die Neugier

In dieser neuen Reihe des Literaturverlags Droschl "Gedankenspiele über" schreiben namhafte Autoren prägnante Essays zu großen Wörtern. Der Weltenwanderer Ilija Trojanow konnte für den Band "Neugier" gewonnen werden - diesen Begriff beleuchtet er von den verschiedensten Seiten. Philosophisch oder historisch, aus religiöser oder politischer Sicht, etymologisch und auch ganz persönlich:

er schafft es, die LeserInnen sofort zu elektrisieren. Er nimmt sie mit auf die spannende Reise in die Tiefe und Breite der Neugier und entlässt sie nicht ohne den Gedanken, "dass die Welt, in der wir leben, etwas wert ist. Also sehenswert, und zwar potentiell alles und jedes." Das schließt Eindimensio-nalität von vorn herein aus. 

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Eva Menasse:

Gedankenspiele über den Kompromiss

In dieser neuen Reihe des Literaturverlags Droschl "Gedankenspiele über" schreiben namhafte Autoren prägnante Essays zu großen Wörtern. Die vielseitige Eva Menasse hat sich Gedanken über den "Kompromiss" gemacht, entstanden ist ein vorzügliches Werk, das den Begriff von vielen Seiten betrachtet und in einen einfach klingenden Leitsatz mündet: "Es muss möglich sein, über alles zu sprechen...".  Menasse bringt das Thema auf den Punkt, vor allem aber lädt sie ihre LeserInnen ein, das eigene Denken zu reflektieren - ein spielerischer Anstoß zum Nach- und Weiterdenken. Trefflich gelungen!

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Boris Schapiro:

Aufgezeichnete Transzendenz

Für Boris Schapiro, in Moskau ein Klassiker, in Deutschland ein immer noch zu entdeckender Künstler, ist Poesie die Möglichkeit, das Unsagbare zu sagen, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Dichtung verwandelt, den Dichter, den Leser. Dem Zauber des Augenblicks stellt er das Ewiggültige zur Seite, seine Quellen sind die Religion, die Dichter der Weltliteratur, aber auch die Erkenntnisse der Naturwissenschaften. Schapiro, Physiker, Mathematiker, Philosoph, Musiker und Dichter, singt mit seinen Gedichte Lieder, die die Schönheit preisen und auch den Tod nicht verschweigen. 

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Paolo Rumiz: Der unendliche Faden

Paolo Rumiz unternimmt eine Rundreise zu fünfzehn Abteien der Benediktiner in verschiedenen Ländern Europas. Er sucht die Quellen, Wurzeln und Fundamente, auf denen das politische und kulturelle Europa ruht und sich speist. Die Reise wird "immer mehr zu einer Wiederentdeckung der Werte, die von der Moderne zunichte- oder lächerlich gemacht werden." Aus Beschreibungen, Dialogen und Reflexionen entsteht ein Text, der eine Vielfalt an Begegnungen beschreibt, vor allem aber ein flammendes Plädoyer für Europa ist - ein gastfreundliches und mensch-liches Land, orientiert an den Grundsätzen derer, die es ideell begründeten: den Benediktinern.

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Luigi Reitani: Hölderlin übersetzen - Gedanken über einen Dichter auf der Flucht

Einen Dichter, der vor 250 Jahren geboren wurde übersetzen - in eine andere Sprache und in eine andere Zeit - die unsere: Luigi Reitani, Herausgeber der Werke Hölderlins und Übersetzer ins Italienische, führt in sieben brillanten Essays aus, wie gewaltig, 

wie modern das Werk Hölderlins ist. Nicht nur hat es in verschiedenen Sprachen und Kulturen seine unauslösch-lichen Spuren hinterlassen, es inspiriert bis heute Dichter und LeserInnen. Reitani gibt einen kurzen, aber profunden Einblick in das Werk des Dichters, die Werkstatt des Übersetzers, vor allem aber in die Weite des Sprach- und Gedankenraums des Dichters, der ungebrochen fasziniert.

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Thien Tran: Gedichte

Mit dem Begriff "Existenzerforschung" lassen sich die mehr als hundert Gedichte Thien Trans (vielleicht) fassen. Ein "Ich" sucht einen Platz in der Welt - welcher Welt, muss sofort gefragt werden. Ausgehend von Naheliegendem, Sichtbarem, Hörbarem, oder auch von einer Idee, wie "Demokratie" oder "Musique Conrcéte", fliegen die Gedanken Thien Trans über die Zeilen hinaus. Er bleibt nah an der Welt, zugleich gibt es kein Gedicht, das nicht einen tiefen Raum unterhalb der Oberfläche trägt. Verschiedene Ebenen der Wahrnehmung und des Seins überlagern sich, gehen ineinander über - Thien Tran (1979-2020) lotet Möglichkeiten aus. Sie geben viel zu bedenken, diese Gedichte, sie sind aber auch einfach schön.

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Eliot Weinberger: Neunzehn Arten Wang Wei zu betrachten

Jede Übersetzung ist eine Verwandlung, Erschaffung eines neuen Gedichts, so der Gedanke Eliot Weinbergers.

Das Original ist die DNA, die lebendige Materie oder Kraft, die Verwandte, nicht Klone hervorbringt.

Der Ausgangspunkt seiner "Neunzehn Arten" ist ein 1200 Jahre altes chinesisches Gedicht.  Weinberger hat Übersetzungen  zusammengetragen, kommentiert, abgewogen, beleuchtet, dem Leser vor Augen geführt, wie feinste Nuancen einen Text verändern oder ausmachen - es ist eine große Freude, Wang Weis Zeilen durch die Zeiten zu folgen und eine ebensolche Freude, Weinbergers Gedanken nach-zu-denken. Sehr schön auch, dass die deutsche Ausgabe mit Neuübertragungen und Nachdichtungen ergänzt wurde, sie erweitern das Sichtfeld noch einmal. Dieses kleine Buch verändert das Lesen!

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Knut Odegard: Die Zeit ist gekommen

Diese starken, mutigen und melo-dischen Gedichte rühren ans Innerste. Sie schrecken vor keinem Thema zurück, nennen Verzweiflung und Untergang beim Namen.

Sie tun dies aber mit einer solchen Hinwendung zum Menschsein, dass der Trost dem Grauen eingeschrieben ist und trösten können, Mut machen, indem sie viel zumuten. Die Gedichte nehmen Sagen und Mythen auf - der Mythos bildet nicht die historische Wahrheit ab, er zeigt die Struktur dahinter. Odegards Gedichte könnten helfen, den dystopischen Alptraum mancher Gedichte im Bereich des Traumes zu belassen. Eine bereichernde Lektüre!

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Nadine Olonetzky: Belichtungen

Dieses sehr persönliche Buch versammelt 55 Texte und 25 Bilder Nadine Olonetzkys. Diese entstanden durch Licht und Zeit: auf Papier gelegte Fundstücke wurden der Sonne überlassen, das Papier vergilbte, die Gegenstände blieben als Schattenrisse erhalten. Sie sind eine Art Zeitspeicher, eine Sammlung vieler Augenblicke, Zeugnisse der Vergangenheit - oder der Gegenwärtigkeit? Nadine Olonetzky umkreist die Themen Zeit, Erinnerungen, Wirklichkeit. Sie stellt Fragen, versucht Antworten in Gedichten und Bildern. Das ungewöhnliche und sehr sorgfältig edierte Buch schenkt dem Leser das eingefangene Licht, die eingesammelte Zeit. Es ist ein Zeugnis der Geduld und der Reife, es ist eine Freude, es in den Händen zu halten.

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Markus Orths, Marlen Schachinger, Micheal Stavaric: Requiem

Diese erste literarische Totenmesse wurde im Mai 2017 in einer öster-reichischen Pfarrkirche aufgeführt. Kurze Zeit später erschien der Text als Buch - es ist das Gemeinschaftswerk dreier Autoren. In der Form folgt es den Vorgaben der musikalischen Messe, sie gibt den Rahmen für die literarische Auseinandersetzung mit dem Thema vor. Der Untertitel lautet "Fortwährende Wandlung", dieser weist darauf hin, dass es viel mehr um das Leben geht, mit all seinen ständigen Veränderungen - die letzte und endgültige Metamorphose

ist der Tod. Ernsthaft und leicht, die Komik als Pendant der Tragik nicht außer Acht lassend, nehmen sich die Autoren sehr weltlichen Themen und Fragestellungen an - immer eingedenk eines Endes, das bedingt, "dass unsere Zeit uns kostbar sei." Das Buch ist sehr facettenreich, es stellt manche Denkgewohnheit in Frage, es ist eine Verführung zum Nach-Denken!

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Sigurdur Pálsson:

Gedichte erinnern eine Stimme

Sigurdur Pálsson schrieb diese Gedichte in dem Wissen, nicht mehr lange zu leben. Doch sie sind weder dunkel noch depressiv, im Gegenteil, Pálsson feiert in ihnen das Leben.

Licht und Schatten, Musik, Schönheit, Sinnlichkeit, die Poesie: sie geben dem Leben Gehalt, der Dichter verleiht ihnen Gestalt.

Die Gedichte sind in einer reduzierten Sprache verfasst, ernst und nachdenklich, zugleich leicht und mit Humor -

und mit großer poetischer Kraft. Pálsson hat eine sehr persönliche und das Menschsein feiernde Poesie geschaffen, seine Stimme, seine Gedichte haben Bestand. 

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Alexander von Humboldt: Tierleben

Der geniale Wissenschaftler und Vordenker, Dichter und Reisende Alexander von Humboldt (1769-1859) hinterließ ein fast unüberschaubar riesiges Werk an Naturbeobachtungen. Ein Teil davon - die "Tierleben" - war nach einer Publikation zu Lebzeiten Humboldts bisher nicht mehr öffentlich zugänglich. Nun liegen fünfzehn Texte über Tiere, ergänzt durch Abbildungen, Anmerkungen und ein erläuterndes und erhellendes Nachwort, in einer wunderbar sorgfältig edierten Ausgabe vor, Chapeau!

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James Baldwin: Nach der Flut das Feuer

Aus zwei Briefen besteht dieser Essayband, der heute so aktuell ist wie bei seinem Erscheinen 1963. Baldwin analysiert in seinen Texten den seit der "Emancipation Proclamation" 1863 unveränderten Rassismus, der sich in allen Bereichen des Lebens zeigt und der seiner Ansicht nach nur gemein-sam von Schwarzen und Weißen überwunden werden kann. Das ist ein revolutionärer Gedanke: die Befreiung der Weißen ist so nötig wie die Befreiung der Schwarzen - nur so kann eine neue, für alle gerechte Gesellschaft entstehen. Sein leidenschaftliches, klares und kraftvolles Plädoyer für den Humanismus und

die Freiheit verknüpft eigene Lebenserfahrung mit den Strukturen des Rassismus in den Köpfen, in den Institu-tionen - es ist die umfassende Betrachtung eines Problems, das nicht auf die Vereinigten Staaten begrenzt ist. 

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Ralf Thenior: Das bulgarische Gefühl

Reisebilder aus Plovdiv und vom Schwarzen Meer

Im Jahr 1996 verbringt der Dichter Thenior einige Zeit als Stadtschreiber in Plovdiv, Bulgarien. Diese Stadt ist 2019 Kulturhauptstadt Europas - die Lektüre der poetischen Miniaturen Theniors führen in die Stadt, als sie sich in der Übergangsphase vom Kommunismus zum Kapitalismus und zur Demokratie befand. Die gedämpfte Stimmung der unsicheren Zeit bildet den Hintergrund für die Spaziergänge und Streifzüge, die Begegnungen mit Menschen und Orten, das Eintauchen in die fremde Sprache mit ihrer unbekannten Schrift - die Texte geben viele Eindrücke, die vom Leser zu einem Bild zusammengefügt werden wollen. Schön ist die Ruhe der Betrachtung und die Unvoreingenommenheit des Betrachters. Es ist ein vorsichtiges Betreten von Neuland.

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Ursula Muscheler:

Mutter, Muse und Frau Bauhaus

Hier steht nicht der Direktor des Bauhauses im Mittelpunkt, sondern fünf Frauen, deren Leben und Geschick eng mit Walter Gropius verknüpft waren. Alle, bis auf die Mutter Manon, versuchten, ein eigenes Leben als Künstlerin zu führen, brachen auf, fügten sich jedoch nach Rückschlägen wieder in die alten Rollenmuster ein. Als "Übergangsgeschöpfe" sind sie jene, die nicht in der vordersten Reihe der Feministinnen stehen, aber genau das macht sie heute noch so interessant. Denn ein Übergang in die Zukunft kann sich in einen Rückfall in die Vergangenheit umkehren. 

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Joachim Mohr: Der Revolutionär, der Kapitalist und das Streben nach Glück

Anhand zweier Lebensläufe lässt der Autor die Geschichte des 19. Jahrhun-derts mit ihrer gescheiterten Revolution

in Deutschland und den wirtschaft-lichen Möglichkeiten, die Amerika damals bietet, aufleben.

Der erfolgreiche Unternehmer Jakob F. Schöllkopf erinnert sich am Ende seines Lebens an den Revolutionär F. Tritschler - beide stammen aus der Kleinstadt Kirchheim nahe Stuttgart, beide streben nach Freiheit und Fortschritt. Schöllkopf kann seine Träume verwirklichen, Tritschler zahlt einen sehr hohen Preis für seinen Kampf. Mit nur 49 Jahren stirbt er völlig verschuldet im amerikanischen Exil, in seiner Heimat regiert weiterhin der König. J. Mohr hinterlegt die Lebenserinnerungen mit historischen Fakten und ruft damit eine Zeit ins Gedächtnis, die heute ein wenig in Vergessenheit geraten ist und mit ihr der lange Weg zur Demokratie. Angesiedelt in einer Kleinstadt und nicht in Berlin oder Frankfurt, festgemacht an zwei Lebensläufen, gelingt ihm eine sehr persönliche Darstellung, zeigt, dass die Suche nach Freiheit mehr als eine Variante kennt.

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Michael Lichtwarck-Aschoff:

Als die Giraffe noch Liebhaber hatte

Vier Entdeckungen

Saint-Hilaire, Lavoisier, Pasteur, Bernard: große Namen aus zwei Jahrhunderten Wissenschaft - als diese noch in den Kinderschuhen steckt. Wie viel Zufall, Risiko, persönliche Opferbereitschaft und nicht zuletzt wie viel Hilfe von Menschen, die heute in keiner Geschichte der Medizin, Biologie oder Chemie vorkommen, nötig war, um zu den bahnbrechenden Erkenntnissen zu kommen, erzählt Lichtwarck-Aschoff in literarisch glänzend geschriebenen Geschichten. Dabei verwebt er Tatsachen,

die nicht gänzlich unbekannt sind, so geschickt und bewahrt so konsequent den Blick von außen, dass ganz neue Zusammenhänge offenbar werden - und die oft kuriosen Umstände exakter Wissenschaft.

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Andrea Wulf: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur

Das Universalgenie Humboldt prägte unsere heutige Vorstellung von der Natur wie kein Zweiter. Er konnte beweisen, dass die Natur ein großes Geflecht ist, in dem alles mit allem zusammen hängt. Sehr früh erkannte er auch, dass dieses System ein verletzliches ist: jeder Eingriff des Menschen hat Folgen. Ausgedehnte Forschungsreisen, Kontakte zu Wissenschaftlern auf der ganzen Welt, nicht endende Wissbegier, Mut, Phantasie und Einfühlungs-vermögen waren seine Methoden der Weltaneignung. 

Andrea Wulf untersucht die Quellen, aus denen Humboldt sich speist. Sie zeichnet seine Entwicklung als Wissen-schaftler und als Mensch auf, sie stellt seine Erkenntnisse vor, und berichtet von den Einflüssen, die er auf nach-folgende Wissenschaftler(generationen) und auf die Weltsicht jedes Einzelnen hat. Sie zeichnet das Bild eines einzigartigen und faszinierenden Mannes, der nicht hoch genug geschätzt werden kann. Mit ihrem Buch, das so viele Facetten in sich vereinigt, gelingt ihr ein ganz großer Wurf, zumal sie sich nicht in all den Einzelheiten verliert, sondern stets das große Ganze im Auge hat und sehr anschaulich und gut erzählen kann.

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Eliot Weinberger: Vogelgeister

Weinberger reist durch den 

Welt-Raum: er folgt den Elementen, ganz konkret auf Fahrten über Flüsse oder dem Besuch von Inseln, er hört den Vögeln und den alten Schriften zu, er entdeckt Unbekanntes im Bekannten - wie ein Flugkünstler ist er zwischen Wolken und Höhlen unterwegs, immer den Gefahren der Natur ausgesetzt, immer auf der Suche nach Begegnungen. Eher Poesie als Essays sind die Texte, die Weinberger verfasst - erschafft - er nimmt die Realität ernst, fabel- und sagenhaft wirken jedoch seine Geschichten von Menschen, Gebräuchen, Träumen, Steinen oder Fröschen.

Sie üben einen starken Sog aus und sprechen alle Sinne an. Eine Schatzkammer.

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Elizabeth David:

Die französische Küche

Dieses Buch steht auf Platz ZWEI der fünfzig wichtigsten Kochbücher aller Zeiten. Erschienen ist es 1960 als eine Reaktion auf das schlechte Essen und

die Trostlosigkeit der Nachkriegszeit

in England. Und natürlich aus Leiden-schaft für die französische Küche, die auch aus einfachen Zutaten köstliche Gerichte kreiert. Davids Buch ist jedoch weitaus mehr als eine Sammlung von Hunderten Rezepten. Es ist eine Geschichte der (Ess)Kultur, regionaler Besonderheiten und es ist Literatur: sie erzählt so viele Geschichten von Menschen, Landschaften, Ereignissen

und Begebenheiten, in einer so anregenden Art, auf eine so unnachahmliche Weise, dass sie eine eigenständige Stimme der Literatur genannt werden kann. 

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Amy Novesky und Isabelle Arsenault: Lied für Louise

Leben und Entwicklung der Bildhauerin und Installations-künstlerin Louise Bourgeois werden in diesem wunderbaren Bildband, bei dem Text und Illustrationen aus einem Guss sind, in Szene gesetzt.

Vor allem ihrer Kindheit am Fluss und in der Textilwerkstatt ihrer Eltern wird viel Raum gegeben, waren diese doch der Boden, auf dem ihr ganzes Schaffen wuchs. Die Liebe zu ihrer Mutter, die Louise wie eine Zauberin erscheint, wird zur Antriebskraft der künstlerischen Auseinandersetzung. Einfühlsam und genau beschreiben und "bezeichnen" die Autorinnen die äußere und innere Entwicklung Louises.

Geeignet ist das Buch für Kinder ab acht, es empfiehlt sich, die jungen Leser bei der Lektüre zu begleiten, da Fragen auftauchen dürften und vielleicht auch der Wunsch entsteht, selbst zu Nadel, Faden, Stoff oder Draht zu greifen...

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Michel Pastoureau: Blau

Pastoureau zeichnet den Weg der Farbe

Blau durch die Jahrhunderte nach.

In Malerei, Literatur und Handwerk entwickelte sie sich zur beliebtesten Farbe überhaupt - und das, nachdem sie in der Antike und im Mittelalter nicht zu existieren schien. Das hochinteressante Buch ist also auch eine Kulturgeschichte der Wahrnehmung.

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Rüdiger Vossen:

Weihnachtsbräuche in aller Welt

Das vorliegende Buch ist eine zugleich breit gefächerte und tief gehende

kunst- und kulturhistorische Aufarbeitung des "Festes aller Feste." Von seinen Ursprüngen, die weit vor der christlichen Zeit liegen, über seine Ausbreitung in alle Welt und den damit verbundenen Modifikationen beleuchtet Vossen den 80-tägigen Zyklus, der vom 11.November bis zum 2.Februar dauert. Fest- und Wendetage, die Wurzeln des Festes, Herkunft und Variationen von Weihnachtsbaum- und Krippen sowie (konsum)kritische Anmerkungen stellt er in historische Zusammenhänge, so dass das Buch weit mehr über Weihnachten erzählt als "nur" die Weihnachtsbräuche.

Im Kern baut Vossen Brücken in alle Welt und zeigt die Verbindungslinien  - nicht nur zwischen Christen, sondern zwischen Kulturen und Religionen.

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