Die neuesten Empfehlungen

_____________________________________________________

April 2024

_____________________________________________________

Laura Lichtblau: Sund

Der Sund, zwischen Dänemark und Schweden gelegen, ist für die Ich-Erzählerin zunächst ein Ort des Rückzugs. Sie wartet auf ihre Geliebte und arbeitet an einer Recherche über ihren Urgroßvater. Diese unterbricht sie, um auf die Insel Lykke zu gehen, wo sie sich in einem ehemaligen Wanderheim einquartiert. Dort verzahnen sich die Geschichte der Insel, auf der sich eine Einrichtung zur Zwangssterilisation befand, mit der Familiengeschichte der Erzählerin. Ihr Urgroßvater war ein "nationalsozialistischer Orthopäde", Mitglied des "wissenschaftlichen Beirats" der Nazis und Unterstützer der Euthanasie. Dieses dunkle Kapitel wird auf der Insel wie in der Familie totgeschwiegen, in mühsamer Arbeit gelingt der Erzählerin die Rekonstruktion dessen, was geschehen ist und wer daran beteiligt war. Der Roman ist ein dichtes Gewebe an Eindrücken, Gedanken und Gefühlen, und im Mittelteil eine ungeschönte Sammlung an Fakten. Zugleich einen Sog entwickelnd und den Leser:innen viel Raum lassend, beeindruckt der Roman durch seine kluge Komposition und poetische Sprache.

Zur Besprechung

 

 

 

Xita Rubert: Die Unordentlichen

Die siebzehnjährige Virginia reist mit ihrem Vater für drei Tage nach Nordspanien, wo ein Kollege Juans einen Preis entgegennehmen soll. Diese drei Tage sind ein Zusammen-treffen mit spleenigen Menschen und gespickt mit unglaublichen Ereig-nissen. Sie sind für die junge Frau Anlass, sich mit den Fragen nach Realität und Wahrheit, Lügen und Erzählen, dem Prozess des Erinnerns und Schreibens auseinanderzusetzen. Nicht etwa trocken und theoretisch, sondern schillernd, detailreich, offen und ehrlich erforscht sie die Welt und sich selbst. Es entsteht ein Theaterstück über die komische Tragödie des Menschseins vor dem geistigen Auge der Leser:innen - ein im eigentlichen Wortsinne tolles Debüt!

Zur Besprechung

 

 

 

Christoph Geiser:

Das Gefängnis der Wünsche

In diesem vielschichtigen, sehr freien Buch verwebt Christoph Geiser die Lebens- und Denkwelten des Marquis de Sade und die des Olympiers Goethe miteinander. Die beiden stehen für das dionysisch Rauschhafte und das apollinisch-klassisch Geordnete - hier treffen Welten aufeinander, die, wie Geiser vorführt, nicht zu trennen sind. In einer immer freier und assoziationsreicher werdenden Sprache reflektiert er über Gewalt und Lust, das Sprengen von Grenzen und die `Gesetze der Hölle´.

Zur Besprechung

 

 

 

Imre Rochlitz: Wie ein Film in Zeitlupe - Eine unglaubliche Flucht in Jugoslawien zwischen 1938 und 1945

Als Dreizehnjähriger verlässt Imre Rochlitz im Juli 1938 Wien, als Jude kann er dort nicht länger leben. Über sieben Jahre währt seine Odyssee durch Lager und Gefängnisse, immer wieder rettet ihn nichts als der Zufall. Nach der Kapitulation Italiens 1943 schließt er sich den Partisanen in Jugoslawien an, er kämpft nicht nur gegen den Feind, sondern auch für die Menschlichkeit. Seine persönliche Geschichte fügt er in die Geschehnisse der Zeit ein, stets ist der historische Hintergrund gegenwärtig. Das gesamte Buch, das an vielen Stellen durch Mark und Bein geht, zeichnet sich durch Ausgewogenheit, Nüchternheit, Detailreichtum und dem Bemühen aus, sich selbst nicht als Helden darzustellen. Der Autor hält sich fern von Hass oder später Rache, er stellt dar, was er erlebte und ist durchweg grundehrlich. Ein sehr lehrreiches, erstaunliches und in jeder Hinsicht gelungenes Buch.

Zur Besprechung

 

 

 

Gilbert Fels: Der Gebrauch von Gärten - Eine Lyrikerzählung

Gärten als von Menschen gestaltete Natur reflektieren ein Denken, eine Sichtweise, ihre Entwicklung ist ein Indiz für Veränderungen gesellschaft-licher oder persönlicher Art - und bieten zugleich die Möglichkeit, der Zeit zu entfliehen. Die Welt der Gärten ist unglaublich vielfältig, vor allem, wenn man einen so weiten Begriff davon hat, wie Gilbert Fels: er besucht berühmte Gärten wie den Monets in Giverny oder die Insel Reichenau, er verschließt sich aber nicht dem Charme von Topf- oder Gleisgärten. Die feine Lyrikerzählung speist sich aus Erinnerungen und Gedanken über Natur und Natürlichkeit, zugleich ist sie eine Einladung an die Leser:innen, Augen und Ohren aufzusperren und sich bezaubern zu lassen. Der Garten Eden ist eine Idee - nicht zufällig ist die Vorstellung vom Paradies in einem Garten verortet.

Zur Besprechung