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August 2022

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Rebekka Salm:

Die Dinge beim Namen

Dieser Roman spielt in einem Schweizer Dorf, er stellt jedoch ganz allgemein die Frage nach dem menschlichen Zusammenleben. Sein Dreh- und Angelpunkt ist ein Vorfall aus dem Jahr 1984. Ausgehend von diesem Ereignis entwickelt die Autorin eine dichter und dichter werdende Geschichte mit einer überschaubaren Anzahl an Personen. Aus deren Handeln und Schweigen webt sie das Porträt einer geschlossenen Gesellschaft, in der jeder alles über jeden weiß, zumindest zu wissen glaubt. Es werden Geschichten hinter vorgehaltener Hand erzählt, jeder strickt seine eigene Variante, es stellt sich die Frage: wann wird ein Ereignis wahr? Und: an welchem Punkt lädt man Schuld auf sich?

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Esther Kinsky: Fremdland

In dieser Erzählung lotet Esther Kinsky das komplexe Thema Heimat und Fremde aus. Sie schreibt über das "Zwischenland" Banat, in dem sie einige Jahre lebte. Über ihre Reise nach Weißkirchen, heute in Serbien gelegen. Sich verändernde Grenzen, aber auch wandernde Flussbetten, die Rosenspur, die die türkischen Eroberer hinter-lassen haben, Rosen, in denen sich die "Ankömmlinge aus einer Fremde" durchzusetzen scheinen, oder die unendlichen Blautöne des Himmels - die Erzählung ist eine genaue Betrachtung des Landes, des Geländes, der Landschaft, und sie ist ein Nachdenken über die Frage, wie Fremde zu Heimat werden kann.

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Elena Medel: Die Wunder

Der dezidiert politische und feminis-tische Roman folgt den Lebensspuren Marias und Alicias von 1969 bis 2018. Großmutter und Enkelin leben in Madrid, wissen jedoch nichts vonein-ander. Die Familie wurde zerrissen von tragischen Ereignissen und dem ganz normalen Kampf um das tägliche Überleben. Der starke Roman erzählt von Beziehungen, der Rolle der Frau in der Gesellschaft und vom Ringen um Eigenständigkeit.

Er erzählt persönliche Geschichten eingebettet in die Geschichte Spaniens und davon, was Geld und Mangel an Geld im Leben eines Menschen - vor allem einer Frau - bedeuten. 

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Chikamatsu Monzaemon: Trommelwellen und andere Erzählstücke

Zwischen 1703 und 1721 entstanden diese Stücke für die Puppenbühne, geschrieben von einem der maßgeb-lichen japanischen Autoren der damaligen Zeit. Er reflektiert in ihnen gesellschaftliche Zustände einer Epoche des aufstrebenden Bürgertums, aber auch die Seelenabgründe von Menschen in besonderen oder alltäglichen Situationen. Die Figuren sind vielfältig, die Handlungen vielschichtig, die Lektüre der Dramen führen Parallelen zu Entwicklungen im Westen vor Augen und machen deutlich, was der Begriff "Weltliteratur" beinhaltet. Das Buch, dem umfangreiche Erläuterungen beigegeben wurden, entführt in eine fremde Welt und hält zugleich der eigenen den Spiegel vor. Eine sehr gewinnbringende Lektüre, bestens übersetzt und konzipiert von Detlev Schauwecker.

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Sonja Danowski:

Nachts im Traum

Ein traumhaft schönes Buch über nächtliche Fantasiereisen in eine magische Natur oder ins Spiel. Unternommen von Kindern, die den Lärm des Tages hinter sich gelassen haben und in einen Dialog mit einer Welt treten, die lebendig wird, wenn innerer Frieden einkehrt. Die unglaublich ruhigen und harmoni-schen Bilder werden ergänzt durch moderne Haikus, sie regen die Fabulierfreude der BetrachterInnen an, geben der Geschichte, die sich fortspinnen lässt, einen Schubs.

Das Buch lässt keine Wünsche offen, es ist schön und klug, und es befördert den Frieden auf dieser Welt.

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Georg Veit: Drostes Schmerzen

Dieser Roman ist eine Inszenierung der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff mit verschiedenen Bühnenbildern und Akteuren. Der Ich-Erzähler, der dem Schriftsteller den Roman diktiert (!), ist eine körperlose Seele, ein Wiedergänger, der sich unbemerkt an die Dichterin annähern kann - er beobachtet nicht nur ihre Handlungen, er lauscht ihren Gedanken. Durch diese ungewöhnliche Konstruktion werden  nicht nur die Dichterin und ihre Texte lebendig, es stellen sich auch Fragen zum Verhältnis von Dichtung und Wahrheit, Kunst und Leben, Zeit, Freiheit, Schuld, Leiden oder Glück. Ein großes Lesevergnügen!

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