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Januar 2023

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Bernd Marcel Gonner: 

Sediment und Sedum

Im Jahr 2010 kauft sich der Autor Bernd Marcel Gonner einen Hof in Franken. Es ist eine alte Kulturlandschaft, die zu erhalten viel Arbeit und Wissen erfor-dert. In seinem Werk verwebt Gonner seine Beobachtungen und Erlebnisse sowie die konkrete Beschreibung seiner Tätigkeiten mit naturkundlichen, historischen und kulturellen Aspekten zu einem dichten Teppich an Natur-Erfahrung. Der  viel-fältige, poetische Text wurde 2021 mit dem Deutschen Preis für Nature Writing ausgezeichnet, herausgehoben wurde vor allem die literarische Kunstfertigkeit, mit der die "Arbeit an der Natur" sichtbar gemacht wird. Ein Kleinod, ein Schriftsteller, den es zu entdecken gilt!

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Manuel Chaves Nogales: Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes

In April und Mai 1933 bereist der spanische Journalist und Schriftsteller Manuel Chaves Nogales Deutschland. Er berichtet über das dort Gesehene und Erlebte in der Zeitung AHORA, deren Chefredakteur er war. Seine Reportagen sind glasklar, hellsichtig, getragen von seinem Anspruch, Informationen zu liefern, und nicht Meinungen zu verbreiten. In seinen Analysen geht er auf alle erdenklichen Aspekte des Lebens ein, sie sind ein wertvolles Zeugnis eines Zeitgenossen, dessen Weitblick immer wieder staunen lässt. Und daneben die Frage aufwirft, wie blind andere waren. Manuel Chaves Nogales vereint Journalismus mit Literatur, seine zwölf Reportagen sind in einem brillanten Stil geschrieben, allein dieser macht sie lesenswert.  

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Ali Al-Kurdi: Der Schamaya-Palast

Im Schamaya-Palast, ehemals ein prächtiges Gebäude im jüdischen Viertel von Damaskus, leben mehr als 50 Familien, alle palästinensische Flüchtlinge.  Diese provisorische Heimat ist ein Labyrinth, zugleich ein Labor, wie Zusammenleben gelingen kann. Der Roman erzählt von Ahmad, der dort wohnt, und seinem Freund George, einem Christen, der mit und in dem Palast begreift, was ein Leben als Flüchtling bedeutet. Der von tiefem Humanismus und großer Empathie getragene Roman verwebt die unterschiedlichsten Schicksale und Lebenswege in die aus zwei Perspektiven erzählte Geschichte der Freunde. Sehr lebendig und sinnlich, sehr berührend und erschreckend, unmittelbar ins Innerste der Figuren blickend, und zugleich die Umwelt beleuchtend, ist der Roman die Beschreibung einer untergegangenen Welt und das Plädoyer dafür, dass es möglich ist, in Frieden miteinander zu leben.

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Lisbeth Exner: Realitätenhandlung          - Neunundvierzig Minuten

Der Roman ist ein Kammerstück für sechs Personen, die eine knappe Stunde zusammen in einer Wohnung verbringen. Diese soll geräumt, die demente Mittsiebzigerin, die hier ihr ganzes Leben verbrachte, "delogiert" werden. Die aberwitzige, tragikomische Gesellschaftsstudie zeichnet Figuren, die an der Grenze zur Karikatur und zugleich sehr individuell dargestellt werden. Und sie schaut auf all das, was "Besitz" mit sich bringt. Das Thema `Wohnen´ erweitert sich zum Thema `Leben´ - der Debütroman Lisbeth Exners ist hochkonzentriert, sehr bedenkenswert und ein großes Lesevergnügen.

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Franco Supino: Spurlos in Neapel

Ein Ich-Erzähler, der als Kind italienischer Migranten in der Schweiz aufwuchs, begibt sich auf Spurensuche nach Neapel. Er sucht nach der eigenen (Familien)Geschichte und nach der eines schwarzen  Camorrabosses. Dieser machte eine erstaunliche Karriere und verschwand dann mit Anfang zwanzig spurlos. Franco Supino verknüpft die Themen Heimat, Identität, Migration, Kriminalität, Zufälle und mehr zu einem Roman, der sich trotz seiner Komplexität sehr flüssig liest und aus vielen Mosaiksteinen ein eindrückliches Bild zusammensetzt.

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José Ovejero: Aufstand

Madrid 2017, die Stadt und ihre Menschen leben Jahre nach der Immobilienkrise noch immer in prekären und unwürdigen Verhältnissen. Alles ist im Würgegriff der Investoren und Banker, der Kapitalismus tötet, hier wie in aller Welt. Aus diesem System will die 17jährige Ana ausbrechen. Sie zieht in ein besetztes Haus, wird Teil einer Szene, die einen Aufstand vorbereitet. Ihr gegenüber stellt José Ovejero Aitor, Anas Vater, Teil des Systems, schwankend zwischen Verständnis für die junge Rebellin und Angst um seine Tochter. Der Autor beschreibt zwei Generationen, verschiedene Lebensentwürfe, in beiden die untrennbare Verbindung des Politischen und Privaten, er beschreibt den Weg einer jungen Frau, die sich nicht beirren lässt, die sich freischwimmt.

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