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November 2017

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Jonas T. Bengtsson: Kugelfisch

Sus, ein neunzehnjähriges Vorstadtkind, erlegt sich selbst Tests auf, mit denen sie sich abhärten will.

Sie hat etwas Wichtiges vor, was, erfährt der Leser erst ganz am Ende. Klar ist, dass sie ihre Willensstärke trainieren will und aufhören, über gut oder böse, richtig oder falsch, nachzudenken. Sie lebt vollkommen alleine, klaut, dealt, kifft. Sie ist Teil der untersten Gesellschaftsschicht und hat in dieser knallharten Welt absolut keine Geborgenheit erfahren, sie weiß nicht, was eine Familie, ein Zuhause sein kann. Bengtsson schaut ganz schonungslos in diese Welt, und zeigt, was eine solche Umgebung aus Menschen macht.

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Uwe Rada: 1988

Im Mai 1988 lernen sich der Westberliner Jan und die polnische Doktorandin Wiola in Kreuzberg kennen.  Es entwickelt sich eine komplizierte Beziehung, über der die Frage: ist es Freundschaft oder ist es Liebe? schwebt. So vielschichtig das Verhältnis der beiden, sind die Vorgänge in Mitteleuropa.

Jan, der mit Wiola nach Polen reist, begreift, dass Berlin und die dortige Revoluzzer-Szene eine Spielwiese ist, im Vergleich zum bitteren Ernst der politischen Lage in Polen. Aus dem Rückblick, mit einem Abstand von fast dreißig Jahren, erzählt Jan die Geschichte seiner Liebe zu Wiola, die so eng mit den Geschehnissen

der Zeit kurz vor der Zeitenwende verwoben ist, dass man die eine nicht ohne die andere erzählen kann. So entsteht eine episodisch-elliptische "Wiolastory", die dem Leser viel über Polen, Westberlin und die BRD, Revolutions- und andere Romantiker, sowie die Suche nach Boden unter den Füßen erzählt.

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Charlotte Perkins Gilman:

Diantha oder der Wert der Hausarbeit

Um nicht ewig mit der Hochzeit warten zu müssen, beschließt die 21-jährige Diantha Geld zu verdienen. Sehr zum Entsetzen ihres Verlobten und auch ihrer Familie. Doch sie lässt sich nicht von ihren Plänen abbringen und erarbeitet sich in relativ kurzer Zeit wirtschaftliche Unabhängigkeit.

Sie gründet ein Unternehmen für Dienstleistungen im Haushalt. Damit befreit sie die bürgerlichen Frauen von

der Führung eines Haushaltes und  macht aus rechtlosen Dienstmädchen selbstbewusste Angestellte.

Die konkrete Utopie beschreibt ein Geschäftsmodell,

das zugleich ein Sozialmodell ist, das funktioniert und die Gesellschaft verändert, zum Wohle aller, nicht nur der Frauen. Der 1910 erschienene Roman der Frauenrechtlerin Perkins Gilman zeichnet auf, wie ein Frauenleben aussehen kann, das nicht mehr unter männlicher Vorherrschaft steht.

Diantha gelingt es, ihre Träume umzusetzen und macht anderen Frauen Mut, ihr zu folgen.

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Daniel de Roulet:

Zehn unbekümmerte Anarchistinnen

Im Jahr 1873 verlassen zehn junge Frauen ihr Tal im Schweizer Jura,

um sich in Südamerika ein neues Leben aufzubauen. Eines in Freiheit, denn sie sind Anarchistinnen. Ohne Männer, aber mit einigen Kindern, kommen sie nach monatelanger Überfahrt an, Punta Arenas kann die Erwartungen nicht erfüllen. Sie ziehen weiter, schließen sich einem anarchistischen Experiment auf einer kleinen Insel an. Auch diese ist nicht die Endstation.

Es geht weiter nach Argentinien, wo sich die Verbliebenen radikalisieren. Mittlerweile sind sie nur noch zu viert,

was nicht an Streitereien in der Gruppe lag. Wichtig die Erkenntnis am Ende: "Was zählt, ist nicht, die anarchistische Utopie zu verwirklichen, sondern Anarchistin zu sein."

De Roulet hat einen beachtlichen Roman, der auf Tatsachen beruht, geschrieben, der Schwierigkeiten nicht verschweigt, aber niemals der Verzweiflung das Heft in die Hand gibt.

Das behalten die unbekümmerten Anarchistinnen! 

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