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Oktober 2016

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Anne Garréta: Sphinx

Ein namenloser Ich-Erzähler und A*** erleben eine Liebesgeschichte mit allen Höhen und Tiefen, am Ende bleibt der Erzähler mit all seinen Erinnerungen und all seiner Trauer alleine zurück. Um Ordnung in seine Gedanken zu bringen, schreibt er rückblickend auf, was während der Jahre in Paris, New York oder auf Reisen in andere Städte geschah. Der Erzähler war DJ in einer beliebten Pariser Disco, A*** Star einer Tanzrevue, beider Leben findet hauptsächlich nachts statt. Das besondere an dieser Geschichte ist: von keinem der beiden Protagonisten erfährt der Leser das Geschlecht. Dies führt vor Augen, wie schwer es ist, frei von Stereotypen und angelernten Mustern auf einen Menschen zu blicken und die Frage A***s  "Wie siehst du mich eigentlich?" unverstellt und auf jeden einzelnen Menschen bezogen zu beantworten.

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Peter Waterhouse: Die Auswandernden

Media ist mit ihrer achtjährigen Tochter nach Wien geflüchtet. Sie befindet sich im Asylverfahren, sie lernt die deutsche Sprache kennen. Flucht und Sprache sind die Themen des Buches, Waterhouse behandelt sie jedoch auf eine Weise, die einzigartig ist. Es wird keine klassische Geschichte erzählt, es wird das innere Leben von Worten beleuchtet und damit ins Innere des Menschen geblickt.

Die Lernende lehrt ihren Lehrer Linien zu erkennen, die ihm neu sind, sie lehrt ihn, Worte neu zu denken. Dies führt ihn zu dem Gedanken, ob "Literatur keine schreibende Kunst, sondern eine Kunst der Auswanderung" ist? Auswanderung als Aneignung, Verwandlung, Neubeginn, als Prozess, ist der Kernpunkt seiner Überlegungen, wunderbar in Szene

gesetzt werden sie von Nanne Meyer. Sie hat Zeichnungen angefertigt, die 58 Doppelseiten füllen und die Worte des Autors verdichten, vertiefen, dramatisieren.

Im Zusammenspiel von Wort und Bild ist so ein Buch entstanden, das sich allen Kategorisierungen entzieht.

Es ist ein wunderbar spielerisches Buch entstanden, frei

nach dem Schillerschen Gedanken, dass der Mensch nur

dort ganz Mensch ist, wo er spielt.

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James L. Mitchell: Szenen aus Schottland

Eine Auswahl von sieben Erzählungen und Essays aus dem 1934 erschienenen Werk "Scottish Scene" gibt einen profunden Einblick in die Erzählkunst des schottischen Schriftstellers, der in seiner Heimat sehr berühmt, hierzulande weitgehend unbekannt ist. Selbst aus einer Bauernfamilie stammend, kennt Mitchell das harte Leben

auf dem Land, dessen karge Erde nur widerwillig Früchte hervorbringt. Der Menschenschlag ist ähnlich hart und im ewigen Kreislauf von säen und ernten gefangen - und das unter noch immer feudalen Zuständen. Als Utopie taugen die Städte nur bedingt, sind die Slums von Glasgow oder die Armenviertel von Aberdeen Beweise dafür, dass es noch viel Ungerechtigkeit gibt. Der überzeugte Kosmopolit Mitchell beschreibt ganz eindrücklich und eindringlich das Leben der Menschen, und er weist ganz klar darauf hin, wie er sich eine Lösung der Probleme vorstellen kann. Seine Texte sind kritisch und voller Liebe zu den Menschen und der Landschaft, ohne Romantik, dafür mit viel Empathie und warmherziger Ironie.

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Bastian Asdonk: Mitten im Land

Ein Ich-Erzähler gibt seinen Bürojob und sein ganzes bisheriges Leben auf.

Er lässt sich auf dem Land nieder, die Früchte seines Gartens sollen ihn ernähren. Das Vorhaben fängt gut an,

er ist glücklich mit der körperlichen und sinnvollen Arbeit. Doch dass die Dorfbewohner den Fremden nicht wollen, wird ihm schnell sehr drastisch klar gemacht. Die Lösung könnte die Aufnahme in eine Hofgemeinschaft sein, in der sich der Erzähler wohl und sicher fühlt. Doch die entpuppt sich als die andere Seite derselben Medaille und der Leser begreift fassungslos,

wie unmöglich es sein kann, nach eigenen Vorstellungen in Frieden zu leben. Sich der Modernisierung zu verweigern, dann in extrem dunkle Zeiten und Denkmuster zurückführen.

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